Meldungen aus der Forschung

Oberhausens schwebendes Matterhorn – auch ein Produkt der Weltraumforschung

Der (ehemalige) Gasometer in Oberhausen, im Wesentlichen ein gigantischer hohler Zylinder, ist ein ungewöhnlicher Ausstellungsort, der seit gut zehn Jahren meist im selben Format zu verschiedenen großen Themen ‚bespielt‘ wird: in zwei unteren Geschossen großformatige Fotos und ausgewählte Artefakte – und über allem schwebt eine viele Meter großes Modell. Das gab es etwa schon einen 25 Meter großen Mond und eine 20 m große Erde – und in der heute fürs Publikum öffnenden Schau „Der Berg ruft“ ist es ein 17 Meter hohes und 30 x 43 Meter breites Matterhorn. Allen gemein: Das DLR sorgte mit Weltraumtechnik für die Details.

Die erste Begegnung mit dem Oberhausener Matterhorn – beim Erreichen einer der Treppen zwischen der zweiten und dritten Ebene des Gasometers. [Daniel Fischer]
Für das Matterhorn, das kopfüber aufgehängt wurde, über einen 12 Meter großen Spiegel am Boden aber auch quasi aus der Vogelperspektive betrachtet werden kann, hatte das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt die Fels-Pyramide mit Satelliten- und Flugzeugüberflügen vermessen und mit diesen Daten ein präzises Geländemodell erstellt. In sich ständig verändernder Weise wird dieses nun auf eine weiße Form aus Polyestergewebe projiziert, die die Gestalt des Berges relativ grob nachahmt: Knapp 3000 Bilder waren die Grundlage, mit der die Wissenschaftler des Earth Observation Centers des DLR die Animation erstellt hatten. Zunächst hatte ein Pléiades-Satellit das Matterhorn innerhalb eines Überflugs in nur wenigen Sekunden aus drei verschiedenen Perspektiven aufgenommen. Existierende dreidimensionale Geländemodelle der Erde – die immerhin bis zu 12 Meter Auflösung erreichen – genügten einfach nicht, wie Nils Sparwasser vom EOC bei einem Pressetermin gestern gegenüber Abenteuer Astronomie erläuterte: Gerade die Gipfelregion ist einfach zu schroff. Ergänzt wurde die immer noch nicht hinreichend detaillierten neuen Satellitendaten durch Bilder aus dem zweimotorigen DLR-Forschungsflugzeug DO-228, das sich bis auf 400 Meter an den Felsen heran wagte.
Das schwebene Modell formt nur grob die komplexe Gestalt des Matterhorns nach: Den Rest besorgt eine sich ständig verändernde Projektion, die mal Lichteinfall aus verschiedenen Richtungen simuliert und mal die pure Geometrie nachzeichnet. [Daniel Fischer]
Die Höhendaten und Texturen wurden dann zu einem virtuellen Abbild des Matterhorns verschmolzen, dann ließ man hunderte virtuelle Kameras über dem Berg kreisen: Mit 67 Millionen Pixeln entspricht die Auflösung der Animation dem Achtfachen einer hochaufgelösten Kinoproduktion. „Wir zeigen auf der Projektionsfläche das Matterhorn im Wechsel der Tages- und Jahreszeiten, die Aufstiegsrouten, die die Bergsteiger in den vergangenen 150 Jahren erschlossen haben, und die extreme Topographie des Berges“, sagt Sparwasser: „Dafür mussten wir große Datenmengen erfassen, verarbeiten und auswerten – daran sind wir natürlich auch gewachsen.“ 17 Projektoren bringen die Animation (mit aus technischen Gründen letztendlich ’nur‘ 39 Mio. Pixeln) auf die 2033 Quadratmeter Oberfläche des 8 Tonnen (!) schweren Matterhorn-Modells, dessen Realisierung dem Gasometer-Team manch schlaflose Nacht beschert hatte. Die Mühe hat sich gelohnt: So hat wohl selbst der erfahrenste Bergfreund das Matterhorn noch nicht erlebt. Und auch die Ausstellung darunter kann sich wahrlich sehen lassen: Sie gewinnt dem Thema Berg zahlreiche auch unerwartete Facetten ab. Und das eine oder andere Bild kann sogar mit Sternenhimmel im Hintergrund aufwarten, den heutige Landschaftsfotografen gerne mal mitnehmen.

LINKS:
Homepage des Gasometers: http://www.gasometer.de
Pressemitteilung des DLR: http://www.dlr.de/dlr/presse/desktopdefault.aspx/tabid-10172/213_read-26463/#/gallery/30019
Impressionen der Ausstellung: https://www.facebook.com/media/set/?set=a.10212465340923477.1073741994.1080556720

Daniel Fischer

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