Neue »offizielle« Liste der Meteorschauer vorgestellt

Zum letzten Mal war sie 1995 überarbeitet worden, aber nun hat die International Meteor Organization eine Neufassung der »Working List of Meteor Showers« vorgelegt (Arlt & Rendtel, WGN 34 # 3 [June 2006] 77-84): Diese Tabelle gilt weithin als die zuverlässigste Bestandsaufnahme aller gegenwärtig nennenswerten Meteorschauer. Nun geistert zwar zu jedem Zeitpunkt der Staub tausender Kometen durch den erdnahen Raum und kann zu Sternschnuppen führen, doch die Zahl der Schnuppen pro Zeiteinheit – normiert als Zenitstundenrate ZHR; so viele Meteore sähe ein einzelner Beobachter unter exzellenten Bedingungen – ist so gering, dass sie unter den sporadischen Meteoren (durch Staub, den irgendwann in der Geschichte des Sonnensystems freigesetzt wurde) nicht auffallen. Nur bei den Meteorströmen der Working List sind die ZHRs so hoch, dass sie als individuelle Phänomene erkannt werden können und einer Untersuchung wert sind. Hier sind die Top Seven der neuen Working List, mit Name, IMO-Kürzel, Aktivitätszeitraum, ungefährem Maximumstermin, Geschwindigkeit der Staubteilchen und typischer Zenitstundenrate (wobei die ETA und SDA wegen ihrer südlichen Radianten in Europa kaum zu sehen sind):

Quadrantiden QUA 1.-5. Januar 3. Januar 41 km/s 120
Lyriden LYR 16.-25. April 22. April 49 km/s 18
Eta-Aquariden ETA 19. April – 28. Mai 5. Mai 66 km/s 60
Südliche Delta-Aquariden SDA 12. Juli – 19. August 28. Juli 41 km/s 20
Perseiden PER 17. Juli – 24. August 12. August 59 km/s 100
Orioniden ORI 2. Oktober – 7. November 21. Oktober 66 km/s 23
Geminiden GEM 7.-17. Dezember 14. Dezember 35 km/s 120

Die Top 3 mit alljährlichen ZHRs von 100 und mehr sind hervorgehoben, während sämtliche anderen Ströme in der Working List normalerweise höchstens eine ZHR von 10-15 schaffen und unerfahrenen Beobachtern kaum auffallen. Ausser natürlich bei seltenen Ausbrüchen, wenn die Erde einer isolierten dichten Staubwolke des entsprechenden Kometen besonders nahe kommt: Die Leoniden haben 1999, 2001 und 2002 ZHRs von mehreren tausend geschafft (und lassen für dieses Jahr auf 100 hoffen), die Draconiden 1998 fast 1000 und die Alpha-Monocerotiden im Jahre 1995 für kurze Zeit 400. Wenn sich solch ein Ausbruch voraussagen lässt, weist der Newsletter natürlich darauf hin – und Überraschungen kann es jederzeit geben. Die diesjährigen Perseiden finden leider bei Vollmond statt: Der nächste Top-3-Strom ohne lunare Beeinträchtigung sind die Geminiden 2006. Bei den Quadrantiden 2007 stört erneut der Mond, aber die Perseiden und Geminiden 2007 sollten wieder perfekt zu beobachten sein! Die beste Juni-Ausbeute aller Zeiten meldet derweil das IMO-Videonetz dank des guten Wetters in Europa: Die Daten zeigen jetzt eindeutig, dass es zu keiner verstärkten Meteoraktivität (Tau-Herkuliden) infolge des nahen Vorbeifluges von Komet Schwassmann-Wachmann 3 an der Erde gekommen ist.

Eine Feuerkugel über Deutschland, die nicht besonders hell war, aber in mehrere Teile zerfiel, wurde vielfach am Abend des 14. Juli beobachtet, nachdem bereits am 13. Juli eine gesehen worden war– während es in Norwegen ebenfalls am 14. Juli einen Meteoritenschauer gab! Am Morgen war erst eine Feuerkugel am schon hellen Himmel über dem Fjord von Oslo gesehen und fotografiert worden, dann wurden schon erste Meteoriten gefunden. Und diesmal scheint es keine starken Zweifel an deren Echtheit zu geben wie bei einem anderen norwegischen »Fall« am 9. Juli, bei dem dem Finder möglicherweise nur ein Streich gespielt wurde. Meteoriten, die mit der großen norwegischen Feuerkugel vom 7. Juni im Zusammenhang stehen, sind bislang auch keine bekannt geworden. In Südafrika soll dafür einer der ersten »Megacryometeore« Afrikas gefallen sein, ein großer; Klumpen reines Wassereis aus heiterem Himmel, vermutlich ein exotisches meteorologisches Phänomen.

Neuer SWAN-Komet im Oktober mit 9. Größe am Abendhimmel? Praktisch gleichzeitig entdeckten ihn – schon am 20. Juni – zwei Amateurastronomen auf Bildern der UV-Weitwinkelkamera SWAN des Sonnensatelliten SOHO, aber erst nachdem er am 30. Juni und 12. Juli von alarmierten Beobachtern auch von der Erde aus sicher nachgewiesen war, ist der Komet C/2006 M4 (SWAN) offiziell (IAUC # 8729 vom 12.7.2006). Derzeit hat er rund 12. Größe und wird sein Perihel (0,8 AU) um den 28. September erreichen: Von Mitteleuropa aus steht er zunächst flach am Morgenhimmel, taucht aber im Oktober auch am Abendhimmel auf. Die besten Sichtbedingungen dürfte es, eine normale Entwicklung vorausgesetzt, Mitte Oktober geben, wenn SWAN mit rund 9,8m am hellsten ist und bei Dämmerungsende noch 30° hoch am gerade wieder mondfrei gewordenen Abendhimmel steht.

Allmählich heller wird auch Komet 177P/Barnard (2) (so lautet seine endgültige Bezeichnung), der schon am 9. Juli in einem Feldstecher erkannt wurde und mittlerweile auf 8,7m oder noch mehr geschätzt wird; auf Bildern vom 21., 20./21., 16. und 14. Juli sowie von Scarmato ist seine Koma schon auffällig aber diffus. Am 16. Juli wurde nach langer Zeit wieder das Fragment B von Schwassmann-Wachmann 3 aufgenommen; Lichtkurven zahlreicher Kometen aus dem Jahr 2005 sind derweil in Japan kompiliert worden. Und Spitzer-Beobachtungen von Tempel 1 nach dem Impakt von Deep Impact zeigen 14 Bestandteile seines Kernmaterials, die vorher meist verborgen waren und auf ein Gemisch von einstmals kalten und heissen Bestandteilen hindeuten: ein weiteres Indiz, dass das Sonnensystem in seiner Frühphase kräftig durchmischt wurde.

Daniel Fischer

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