Mithalten mit dem Venus Express?

Auch für den Amateur könnte der Planet – in den richtigen Farben gesehen – eine Menge zu bieten haben

Seit dem 9. November ist der Venus Express unterwegs, die erste Raumsonde der ESA zum inneren Nachbarn der Erde: Für den 11. April 2006 ist der Eintritt in eine erste Umlaufbahn geplant, und im Sommer soll die systematische Untersuchung der Venus beginnen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf bzw. in ihrer dichten Atmosphäre – und zwei der Instrumente auf dem Orbiter lassen aufhorchen: Sie arbeiten in Wellenlängenbereichen, die auch der Amateurastronomie zugänglich sind oder zumindest dicht daneben liegen. Und tatsächlich: Einige der Untersuchungen, die mit dem Venus Express geplant sind, könnten Beobachter, die ein wenig in die richtigen Filter investieren, durchaus nachzuvollziehen versuchen und dabei vielleicht sogar die Arbeit der Sonde unterstützen. Denn nur im weißen Licht ist die Venus eine strukturlose extrem helle Kugel mit Phase und sonst gar nichts:

  •  Wolkenstrukturen auf der Tagseite – die allenfalls in tiefen Blaufiltern vage in Erscheinung treten – sind sowohl im nahen Ultravioletten wie im nahen Infraroten wesentlich kontrastreichere Erscheinungen, also zu beiden Seiten knapp jenseits des sichtbaren Spektralbereichs.
    Wolkenstrukturen auf der Tagseite
    • Bereits 1926 gelangen Ross beeindruckende UV-Aufnahmen der Venuswolken (Ross 1928; die Referenzen sowie eine systematische Spektraltabelle und weitere Links gibt es hier). Sie wurden später von der Raumsonde Mariner 10 mit einer urtümlichen Fernsehröhrenkamera in voller Pracht abgebildet (Murray et al. 1974): Bei 350 bis 370 nm scheint der Kontrast am besten zu sein, und Amateurastronomen sind hier schon recht lange erfolgreich, beispielsweise M. Weigand.
    • Aber auch im violetten Licht bei 418 nm gelangen der Raumsonde Galileo detailreiche Bilder (rechts; hochpassgefiltert) der Wolken (Belton et al. 1991), und vielleicht wartet noch manch anderes interessante Spektralfenster im Blauen auf seine Entdeckung.
    • Auch bei 986 nm im nahen IR sichtete Galileo ähnlich reiche Wolkenstrukturen (Belton et al. 1991), die aber kontrastärmer sind: Erhebliche Hochpaßfilterung ist erforderlich. Selbst in diesem Spektralbereich haben sich Amateure schon versucht, mit marginalem Erfolg.

    Da moderne CCD-Chips – und selbst klassischer Schwarzweißfilm – bei 360 nm noch empfindlich sind, dürften Parallelbeobachtungen mit dem Venus Express in diesem Bereich am meisten versprechen. Und beim heutigen Stand der Bildverarbeitung lässt sich so manches herauskitzeln.

  • Leuchterscheinungen in der Hochatmosphäre der Venus, v.a. über der Nachtseite, sind ein heißes Eisen: Mit großen professionellen Teleskopen sind eine ganze Reihe Emissionserscheinungen nachgewiesen worden – aber ausgerechnet das seit Jahrhunderten immer wieder einmal von visuellen Beobachtern gemeldete »Aschgraue Licht« hat sich bisher jeder direkten wissenschaftlichen Untersuchung entzogen.
    • Zwischen 400 und 650 nm und insbesondere zwischen 450 und 560 nm gibt es eine Reihe Emissionslinien von molekularem Sauerstoff: Airglow in der Hochatmosphäre über der Nachseite (Lawrence et al. 1977, Slanger & Black 1978). Und noch tausendmal heller strahlt es bei 1.27 µm (Connes et al. 1979, Allen et al. 1992), sogar über der Tagseite nachweisbar.
    • Bei 558 nm emittiert überdies atomarer Sauerstoff: Wie der molekulare auch entsteht er auf der Tagseite aus dem reichlich vorhandenen Kohlendioxid und wird auf die Nachtseite geweht, wobei die Intensität der Strahlung zeitlich stark schwankt (Slanger et al. 2001).
    • Irgendwo im Empfindlichkeitsbereich des Auges schließlich ist das Aschgraue Licht angesiedelt, dessen Existenz zahlreiche Amateur- und sogar einige Profiastronomen beschwören, das aber nie mit moderner Technik zweifelsfrei abgebildet werden konnte und dessen Natur so rätselhaft ist wie eh und je (Phillips & Russell 1988, Cruikshank 1992, Fischer 2001a).

    Kenner der Hochatmosphäre der Venus halten es für denkbar, dass unter bestimmten Umständen der normale Airglow dramatisch heller wird und dann auch für das Auge am Okular die Nachtseite der Venus aufglüht (Fischer 2001b), doch bei der einzigen großen gemeinsamen Beobachtungskampagne von einer Raumsonde und Amateuren war keine Korrelation der Sichtungen mit dem Sonnenwind zu erkennen (Phillips & Russell 1992). Parallelbeobachtungen des Aschgrauen Lichts mit den Instrumenten des Venus Express könnten das Rätsel endlich lösen – wenn nicht doch alles nur Einbildung ist.

  • Thermische Emission aus den Tiefen der Venusatmosphäre und sogar von der Oberfläche des Planeten dringt durch neun relativ enge spektrale Fenster zwischen 850 nm und 2.4 µm und macht sich auf der Nachtseite bemerkbar – wobei leider gerade die besten dieser Fenster jenseits der Empfindlichkeit normaler CCDs liegen.
    •  Bei 850 und 950 nm gibt es zwei schwache Fenster, durch die IR-Strahlung entweicht und die überhaupt erst Thermische Emission aus den Tiefen der Venusatmosphäre

      von Cassini entdeckt wurden (Baines et al. 2000) – für den Amateur und selbst professionelle Teleskope auf der Erde wahrscheinlich uninteressant.

    • Bei 1010 nm – noch haarscharf innerhalb des Empfindlichkeitsbereiches von CCDs – gibt es ein wesentlich besseres Fenster, auf das die Sonde Galileo stieß (Carlson et al. 1991) und das schon bald auch mit dem 1-m-Teleskop auf dem Pic du Midi ausgenutzt wurde (Lecacheux et al. 1993). Und genau in diesem Fenster gelang auch dem ersten Amateur am 12. Mai 2004 die erste klare Abbildung von thermischer Emission von der Nachtseite der Venus (rechts): mit einer handelsüblichen CCD-Kamera und einem Filter, der Licht ab 1 µm durchlässt aber auch bei kürzeren Wellenlängen etwas leckt. Die Leistung von Pellier wurde prompt als Sensation gefeiert – aber seitdem offenbar nicht wiederholt.
    •  Bei 1.10, 1.18, 1.27, 1.31, 1.74 und 2.3 bis 2.4 µm liegen die anderen IR-Fenster in die Nachtseite der Venus, die bereits früher entdeckt wurden (Allen & Crawford 1984, Allen 1987, Crisp et al. 1991a), Thermische Emission aus den Tiefen der Venusatmosphäre 2

      meist »offener« sind als die kurzwelligeren und auch mit interessanten Wolkenstrukturen aufwarten können, die sich in Absorption vor der Wärmestrahlung aus der Tiefe abzeichnen. Galileo lieferte detailreiche Bilder (Carlson et al. 1991), und zahlreiche Sternwarten auf der Erde (Bild rechts) überwachen diese nahinfraroten Spektralfenster.

    Je größer die Wellenlänge, desto kontrastreicher zeichnen sich die Wolken ab, v.a. im K-Band bei 2.3 bis 2.4 µm – aber die Beobachtungen bei 1.01, 1.10 und 1.18 µm haben einen ganz anderen Reiz: Hier kann man bis auf die Oberfläche der Venus schauen (Meadows & Crisp 1996), wobei sich die tiefsten und wärmsten Landschaften hell und Berge dunkel abzeichnen! Das hätte noch vor wenigen Jahren niemand für möglich gehalten: Mit vergleichsweise einfachen Teleskopen und sogar Amateurmitteln ist ein Blick auf die Oberfläche der Venus möglich, der auf ewig Radaranlagen oder Landegeräten vorbehalten zu sein schien.

Von den Instrumenten des Venus Express ist die Venus Monitoring Camera VMC dasjenige, dessen Spektralbereich dem des Amateurs mit Abstand am nächsten kommt: Herzstück ist ein CCD-Chip, auf den jeweils gleichzeitig Bilder durch engbandige Filter mit 365, 513, 935 und 1010 nm belichtet werden. Sowohl die Wolkenstrukturen wie das 1-µm-Fenster bis zum Venusboden interessieren die VMC-Forscher, die übrigens in Deutschland sitzen, am MPI für Sonnensystemforschung. Das Visible and Infrared Thermal Imaging Spectrometer VIRTIS deckt dagegen den kompletten Spektralbereich von 250 nm bis 5 µm ab und erreicht auch die starken IR-Fenster, die dem normalen Amateur noch verborgen bleiben (entsprechende Detektoren kosten fünfstellige Euro-Beträge) – außer man lässt sich ein IR-Teleskop schenken; siehe Artikel unten …

Ein koordiniertes Programm von Venus Express und Profi- und Amateursternwarten hält die Projektleitung zwar für sinnvoll, konkret organisiert wurde aber in den hektischen drei Jahren zwischen Beschluß und Start der Mission noch nichts. Die Venus schrumpft derzeit tief am Abendhimmel zur Sichel und verschwindet in die untere Konjunktion (siehe interstellarum 43 Seiten 14 und 18), um dann ab Mitte Januar eine lange Morgensichtbarkeit zu beginnen: Das Scheibchen ist also besonders groß und in den kommenden Wochen gut für Versuche geeignet, die IR- Emission auf der Nachtseite abzubilden. Und wenn dann die Phase allmählich wieder voller wird, lohnen sich Experimente mit der Tagseite und dem Einsatz unterschiedlichster Farbfilter. Vielversprechende Resultate nimmt gerne die ALPO in Japan entgegen, die die einzige Echtzeit-Galerie mit Venus-Bildern zu führen scheint – und natürlich die interstellarum-Redaktion; siehe Kopf!

Daniel Fischer

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Daniel Fischer

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