Auf außergewöhnliche Weise kommen bei der Analyse der Sonnenaktivität und ihrer zeitlichen Schwankungen modernste Astrophysik und astronomiegeschichtliche Detektivarbeit zusammen: Historische Daten sind elementar, um Modellvorstellungen zu überprüfen – aber die Daten aus der gesamten Geschichte des Teleskops bergen viele Fehlerquellen. Erst seit dem 19. Jahrhundert wird die Zahl der Sonnenflecken und Fleckengruppen systematisch beobachtet, aber anhand älterer Astronomen-Aufzeichnungen lässt sie sich bis zum frühen 17. Jahrhundert zurück rekonstruieren. Dass dies aber nicht einfach ist, zeigte der Vergleich der beobachteten oder rekonstruierten Relativzahlen nach Wolf (also 10-mal der Zahl der Gruppen plus der Zahl der Einzelflecken) und der Zahl der Gruppen allein; da lange nur die Gruppenzahlen aufgeschrieben wurden, ist sie die populärere Messgröße der historischen Sonnenforschung. Zwischen beiden Zeitreihen gab es vor dem 20. Jahrhundert nun so eklatante Widersprüche, dass sich seit einigen Jahren eine Arbeitsgruppe in einer Konferenzreihe um deren Beseitigung bemüht. In einem kürzlich vorgelegten außerordentlich umfangreichen Bericht stellt sie den Zwischenstand dar: Vier gravierende Fehlerquellen wurden gefunden, die zu falschen Trends oder gar Sprüngen bei gleich beiden Zeitreihen geführt haben. Nach deren Korrektur schwinden nicht nur die Diskrepanzen: Der gesamte Zeitverlauf der Sonnenaktivität seit 1750 – kurz nach dem Ende des Maunder-Minimums – stellt sich nun deutlich anders dar.
Es gibt nämlich jetzt einen vermeintlichen dramatischen Trend zu immer höheren Maxima überhaupt nicht mehr, das angebliche »Grand Maximum« in der 2. Hälfte des 20. Jh. erweist sich als eine Illusion. Ungewöhnlich war in den vergangenen 70 Jahren lediglich, dass von sechs aufeinander folgenden Maxima fünf besonders hoch ausfielen – aber (bis auf ein einziges in den 1950er-Jahren) eben nicht nennenswert höher als auch schon 100 oder 200 Jahre früher. Im Detail betrachtet fallen weder das letzte Minimum, das besonders lang und tief war, noch der schlappe laufende 24. Zyklus aus dem Rahmen des schon Gesehenen: Anzeichen für ein kommendes neues großes Minimum sind sie definitiv nicht. Energisch werden jetzt weitere historische Aufzeichnungen – etwa des Nürnberger Astronomen J. C. Staudacher aus dem 18. Jh. – digitalisiert, und die Analysen gehen weiter: So passen die Flecken- und Gruppenzahlen im späten 18. Jh. immer noch nicht gut zusammen – und davor noch viel schlechter. Bislang wird auch nur die Gesamtzahl der Flecken bzw. Gruppen betrachtet: In einer späteren Phase sollen auch ihre Breitenverteilung, das Aussehen der Gruppen – so scheint z.B. die mittlere Fleckenzahl pro Gruppe mit der Zeit etwas zu schwanken – und andere Aspekte möglichst umfassend rekonstruiert werden.
Daniel Fischer
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