Während der aktuelle Abendkomet C/2006 M4 (SWAN) – nach einem kurzen Helligkeitsausbruch Ende Oktober bis auf 4. Größe – inzwischen verblasst, sorgt ein anderer diesen Sommer entdeckter Komet für Zündstoff unter den Experten: C/2006 P1 (McNaught) wird der Sonne am 13. Januar 2007 bis auf 0,17 Astronomische Einheiten oder 25½ Mio. km nahekommen, und je nach Vertrauen in die Haltbarkeit seines nicht besonders großen Kerns könnte er im Perihel entweder zerstört werden. Oder eine beachtliche Helligkeit mit ggf. gar negativen Größenklassen erreichen. Das gesamte Schauspiel findet so oder so in nur geringem Winkelabstand von der Sonne statt, aber wenn McNaught eine stattliche Erscheinung werden sollte, dann wäre er just aus mitteleuropäischen Breiten noch am günstigsten ein paar Grad über dem Horizont in der Abenddämmerung zu sehen. Der viel beachtete Ausbruch von SWAN, der gemäss Helligkeitsschätzungen vom 24. bis zum 29. Oktober währte, wäre dagegen nur eine Lappalie gewesen.
Denn die Gesamthelligkeit des Kometen, die in der Woche zuvor bereits nach einem Maximum um 5,5m in der ersten Oktoberwoche auf rund 6,0m gefallen war, schnellte zwar irgendwann zwischen dem Abend (MEZ) des 23. und des 24. Oktober um rund 1,5m nach oben und lag am 25. und 26. um 4,3m, danach aber sank sie gleich wieder unter 5,0mm, um Ende Oktober bei 5,5m und an den ersten Novembertagen wieder nahe 6,0mm zu liegen. Im kurzen Intervall des Ausbruchs gab es nicht nur einen prächtigen Ionenschweif (Bild oben vom Abend des 26. Oktober), sondern auch eine selbst in manchen Feldstechern auffällig grüne (und deutlich angeschwollene) Koma zu sehen. Bildersammlungen gibt es z.B. von Pivato, Scarmato, Gährken, Dangl und anderen, und ausgewählte Einzelbilder vom 4. November (dito) und 31. (dito), 30., 29. (dito), 28. (mit M 13, Animation!!), 27. (dito), 24.-27. (Animation), 26. (dito, dito, dito, dito, dito, dito, dito, dito, dito, Animation), 25. (dito, dito, dito, dito, dito, dito), 24. und 22. Oktober (dito) und Berichte vom 28., 26. und 25. Oktober. Seit heute ist der Verblassende immerhin wieder an mondfreiem Abendhimmel zu sehen, weiter 40° hoch bei Dämmerungsende.
Der »Fall McNaught« ist ausgesprochen kompliziert, und verlässliche Aussagen zum Betragen des Kometen in Perihelnähe sind auch ein Vierteljahr nach seiner Entdeckung durch den Australier Robert McNaught am 7. August nicht möglich. Das liegt an seiner extrem ungünstigen Bahn, die ihn bisher nirgends auf der Welt so hoch über den Horizont steigen liess, dass zuverlässige visuelle Helligkeitsschätzungen möglich sind: Nur anhand dieser lässt sich aber die Entwicklung eines Kometen wirklich verfolgen, denn die Messung von Gesamthelligkeiten diffuser Kometenkomae mit elektronischen Detektoren steckt immer noch in den Kinderschuhen (wie auch gerade wieder auf einer Tagung der VdS-Fachgruppe Kometen klar wurde). Immerhin gibt es eine längere Serie von CCD-Helligkeiten desselben Teleskops, und aus denen hat McNaught selbst Ende Oktober geschlossen, dass es mit der Helligkeit seines Kometen konsequent und steiler aufwärts gegangen ist als bei Neuentdeckungen üblich.
Bei denen ist die Helligkeit – einen konstanten Abstand von der Erde angenommen – proportional zum 10-fachen des Logarithmus des Sonnenabstands (während es bei einem ausschliesslich das Sonnenlicht reflektierenden Körper das 5-fache ist), McNaught jedoch scheint mit dem rund 25-fachen angestiegen zu sein (und wurde Mitte Oktober visuell mit 11. Größe beobachtet und am 7. November auf einem Foto auf bereits 9,5 mag. geschätzt).). Ginge das immer so weiter, würde C/2006 P1 im Perihel für Beobachter von der Erde aus heller als der Vollmond strahlen, doch es scheint die Regel zu sein, dass sich der Helligkeitsanstieg bei Erreichen von einer Astronomischen Einheit (AU) Sonnenabstand stark verlangsamt: In einer ersten Reaktion auf McNaughts Analyse gab der bekannte Kometenbeobachter und -auswerter John Bortle dem Kometen bestenfalls +2m als Maximalhelligkeit und sah auch die Möglichkeit, dass er sich ob seines vermutlich geringen Kerndurchmessers völlig auflösen könnte, aber bald revidierte er seine düstere Einschätzung.
Nun geht Bortle davon aus, dass der Kern von McNaught überleben und der Komet »eine ziemlich respektable Spitzenhelligkeit« erreichen dürfte, mindestens 0m. Auch in den kommenden Wochen wird der Komet nicht besser zu beobachten sein, so dass mit verlässlichen Helligkeitsprognosen bis zum Perihel kaum zu rechnen ist – eine ungewöhnliche Situation so kurz vor einer potenziell beachtlichen Kometenerscheinung, die auch darüber grübeln lässt, wann man ggf. »die Öffentlichkeit« ins Bild setzt. Kurioserweise steht McNaught ausgerechnet für Mitteleuropa bis zum Perihel noch am günstigsten am Himmel, wenn auch stets nur ein paar Grad hoch. Gegen die bürgerliche Dämmerung würde er sich vermutlich nur durchsetzen, wenn er negative Größenklassen erreicht, aber in den Wochen vor dem Perihel könnte McNaught – klaren Himmel bis fast zum Horizont vorausgesetzt – auch in der nautischen Dämmerung zu sehen sein, die v.a. mit kontrastreichen Kameras interessante Beobachtungen ermöglichen sollte. (Und sollte ein langer Schweif entstehen, so könnte der auch an ganz dunklem Himmel zu sehen sein, mit Sonne und Kometenkopf tief unter dem Horizont.) Hier ein »Fahrplan« anhand einer Bahnrechnung mit Positionen bis zum 29. Oktober, erzeugt mit dem HORIZONS-Generator des JPL.
Wenn der Komet also keinen gravierenden Einbruch erleidet, dann sollte er in ersten zehn Tagen des neuen Jahres hierzulande am besten zu sehen sein, wobei die Sichtfenster auch in Südeuropa keineswegs besser sind. Im Perihel ist McNaught überall fast unsichtbar (ausser er wird so hell, dass er gut am Taghimmel zu erkennen ist), danach erscheint er fast schlagartig Beobachtern auf der Südhalbkugel: Wenn der Kern die Sonnenhitze nicht nur überstanden hat sondern durch sie auch noch besonders aktiv geworden sein sollte, gibt es dort vielleicht das Beste zu sehen, in der 3. Januardekade sogar tief an dunklem Himmel. Die geringe Sonnenelongation rund um den Periheltermin (vom 11. bis 17. Januar unter 10°) hat allerdings einen Vorteil: Die Koronographen des Satelliten SOHO haben beste Sicht! (Erst gerade zog wieder ein schöner Komet durch seine Gesichtsfelder – und 1200 Kometen sind bereits auf SOHO-Bildern entdeckt worden.) Vielleicht sind auch die beiden STEREO-Satelliten (siehe unten) bis Anfang Januar schon in der Lage, mit ihren noch besseren Kameras ebenfalls das exotische Kometenspektakel aus etwas anderen Perspektiven zu verfolgen, von dem wir Erdlinge noch nicht wissen, ob es auch uns beglücken wird. Neuer Sondenbesuch für Tempel 1, neues Ziel für Deep Impact? Einen Schritt weiter sind die Vorschläge gekommen, die Mutterschiffe der Raumsonden Stardust und Deep Impact nach dem Ende ihrer Primärmissionen (Lieferung von Staub des Kometen Wild 2 zur Erde bzw. Abwurf eines Kupferklotzes auf Tempel 1) zu zwei weiteren Kometenkernen umzuleiten: Am 30. Oktober wählte die NASA beide Projekte (»Deep Impact eXtended Investigation of Comets« = DIXI bzw. »Stardust NExT«) für Konzeptstudien aus. Es würden sogenannte Missions of Opportunity, die inklusive Datenanalyse und -archivierung maximal 35 Mio.$ kosten dürfen: Für die Studien stehen jeweils 250 000$ zur Verfügung, und über einen oder auch mehrere Gewinner (ein dritter Vorschlag ist die Nutzung der Kamera von Deep Impact für die Suche nach Exoplaneten) wird kommendes Jahr entschieden. Die Reise von DIXI ginge dann zum Kometen Boethin, der im Dezember 2008 erreicht würde, Stardust NExT könnte endlich nach dem frischen Impaktkrater auf Tempel 1 suchen. Zahlreiche Erkenntnisse über den Kern von Tempel 1 anhand erdgebundener Beobachtungen hat übrigens Ferrín zusammengestellt: Die Bestimmung des effektiven Durchmessers von 5,5±0,5 km z.B. stimmt exakt mit der Auswertung der Deep-Impact-Bilder (5,5±0,2 km) überein.
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