In der astrononomischen Literatur, auch der professionellen, gilt es seit Jahrzehnten als ausgemacht, dass es ohne den Riesenplaneten Jupiter zu wesentlich mehr Einschlägen von Kleinkörpern des Sonnensystems auf der Erde kommen würde, was sie womöglich gar unbewohnbar machte — und diese »Erkenntnis« wird gerne auch gleich auf fremde Planetensysteme übertragen.
Die Auffassung stammt indes noch aus der Zeit, als langperiodische Kometen aus der Oortschen Wolke als die Hauptverantwortlichen für irdische Impakte galten, und diese nur gering an das Sonnensystem gebundenen Körper konnte Jupiter sicher leicht »herauskicken«. Inzwischen wissen wir aber, dass alle Kometenarten zusammen nur ein Viertel des Impaktrisikos ausmachen, während drei Viertel auf das Konto von erdnahen Kleinplaneten gehen. Und erst seit 2008 wird zum ersten Mal systematisch untersucht, wie der Jupiter diese NEAs sowie die kurz- und die langperiodischen Kometen tatsächlich beeinflusst. Zunächst nahm man sich den Asteroidengürtel als Hauptlieferant der Impaktoren vor, und das Ergebnis langer Simulationsrechnungen war verblüffend (Grafik): Ein Planet auf Jupiterbahn mit mehr als einer Jupitermasse machte kaum einen Unterschied, gab man ihm dagegen nur eine fünftel Jupitermasse, dann trafen doppelt so viele Asteroiden die Erde. Solch ein Planet lenkte einerseits besonders effizient Asteroiden in den erdnahen Raum und war andererseits zu klein, um diese neuen Bahnen bald wieder wirksam zu stören. Mit nur noch einer hundertstel Jupitermasse am Ort des Jupiter lag die Impaktrate dagegen nur noch bei einem Drittel der tatsächlichen, d.h. mit Jupiter ist es auf der Erde 3,5 Mal so gefährlich, als wenn es gar keinen gäbe: Ein Schutzschild für innere Planeten ist ein Riesenplanet weiter draußen demnach nicht, im Gegenteil! Die zweite Arbeit knöpfte sich die Zentauren zwischen Jupiter und Neptun vor, die aus dem Kuipergürtel jenseits der Neptunbahn stammen und in jedem dritten Fall zu einem kurzperiodischen Kometen werden: Ein Planet von einer Jupitermasse führt hier zu einer ähnlichen Impaktrate wie ein Planet der Masse Null, d.h. die Existenz oder Nichtexistenz Jupiters macht für die Erde praktisch keinen Unterschied. Und abermals gäbe es die höchsten Einschlagraten und damit die potentiell gefährlichste Situation durch einen Planeten am Ort Jupiters mit 0,2 Jupitermassen: Rund viermal so viele Einschläge wie beim echten Jupiter wären die Folge. In einer dritten Arbeit schließlich kamen die langperiodischen Kometen aus der Oortschen Wolke an die Reihe: Gegen sie bildet der Jupiter tatsächlich einen spürbaren Schutz.
Doch da sie zu der Gesamtzahl der Impaktoren auf der Erde nur wenige Prozent beitragen, spielt die Abwehr der Langperiodischen Kometen durch den Jupiter kaum eine Rolle: In der Gesamtbilanz erhöht die Existenz des Jupiter die Impaktrate auf der Erde gegenüber einem jupiterlosen Sonnensystem um ein Mehrfaches. Ob dies der Entwicklung des Lebens insgesamt schadete oder sie erst recht vorantrieb, ist völlig offen. Und auch die Simulationsrechnungen sind noch nicht am Ende: Noch gar nicht untersucht wurde bisher, was Riesenplaneten unterschiedlicher Masse in unterschiedlichem Sonnenabstand und/oder mit unterschiedlicher Exzentrizität der Bahn bewirken. Angesichts der überraschenden Ergebnisse bisher wagen die Autoren nicht mal eine Prognose. Auch wollen sie noch untersuchen, wie gut die drei Reservoire potenzieller Impaktoren in Abhängigkeit von Jupitermasse und -ort eigentlich gefüllt sind.