Meldungen aus der Forschung

Indischer „Space Shuttle“ absolviert ersten Testflug

Es ist der allererste Schritt auf einem sehr langen Weg, aber die indische ISRO gehört seit heute früh zum elitären Club jener Raumfahrtorganisationen, die mit wiederverwendbaren Raumgleitern experimentieren. Eine kleine HS9-Feststoffrakete trug den 6,5 m langen Reusable Launch Vehicle Technology Demonstrator (RLV-TD) in 91 Sekunden bis in 56 km Höhe, wo er frei gelassen wurde: Der Schwung trug ihn noch bis auf 65 km, wo das eigentliche Experiment begann, HEX1, das erste Hypersonic Experiment. Mit etwa 5-facher Schallgeschwindigkeit drang der kleine Gleiter wieder in die tieferen Schichten der Atmosphäre ein: Das Navigations- und Steuersystem sorgte dafür, dass dabei die gewünschte Bahn eingehalten wurde und das Hitzeschutzsystem den Belastungen des Hyperschallflugs standhielt, während zahlreiche Sensoren an Bord das Verhalten des Vehikels beobachteten. Nachdem die Hitze des Wiedereintritts gut überstanden war, schwebte das RLV sanft bis zum Boden zurück, genauer gesagt den Golf von Bengalen, wo es 450 km vom Startplatz in Andhra Pradesh entfernt planmäßig ins Meer stürzte. Eine Bergung ist nicht vorgesehen: Alle Daten des 770-Sekunden-Experiments wurden direkt zu Bodenstationen und einem Funkschiff gesendet. An ihnen teilhaben, womöglich gar in Echtzeit, durfte die Öffentlichkeit allerdings nicht: Dass HEX1 ein voller Erfolg geworden war, machte erst ein Gratulations-Tweet des indischen Präsidenten offiziell.

Der RLV-TD auf seiner Rakete, kurz vor dem Start. [ISRO]
Das erste Hypersonic Experiment, bei dem es um mehrere kritische Technologien rund um den Wiedereintritt gegangen war, war nur das erste eine langen Serie von Tests mit verschiedenen Ausführungen des RLV: Es folgen das Landing Experiment (LEX), das Return Flight Experiment (REX) und schließlich das Scramjet Propulsion Experiment (SPEX), bei dem der Mini-Shuttle von einem luftatmenden Überschalltriebwerk beschleunigt werden soll. Das Fernziel des RLV-Programms sind für die ISRO „preiswerter, zuverlässiger und jederzeit zur Verfügung stehender Zugang zum Weltraum“, was nur mit einem wiederverwendbaren System zu erreichen sei, das dann für eine Verringerung der Startkosten auf ein Zehntel sorgen solle. Dabei ist die Entscheidung bereits für Two Stage To Orbit (TSTO) gefallen, mit einem operationellen RLV auf einer Rakete und Wiedernutzung beider Komponenten. Genau das war vor rund 50 Jahren freilich auch die Vision hinter dem Space Shuttle der NASA gewesen – der zwar vieles konnte aber dabei alles andere als Kosten sparte, immer hoch riskant blieb und schließlich vor 5 Jahren wieder aufgegeben wurde. Den Optimismus der ISRO, dass diesmal alles besser wird, mit einem einsatzfähigen System in 10 bis 15 Jahren und einem dann 40 m großen und auch für Passagiere geeigneten Shuttle, teilen jedenfalls die indischen Medien und die große Fanbasis des Raumfahrtprogramms. Unmut gab es lediglich über zu wenig Medienarbeit im Vorfeld, keinen Pressezugang zum Start und das Ausbleiben der gewohnten Liveübertragung im Fernsehen, wobei die Gründe für die Zurückhaltung und Geheimnistuerei auf Regierungsseite unklar blieben: Die hatte sich immerhin allein den ersten RLV-TD umgerechnet 12,5 Mio. Euro kosten lassen.

Daniel Fischer

LINKS:

ISRO Press Release: http://www.isro.gov.in/update/23-may-2016/india%E2%80%99s-reusable-launch-vehicle-technology-demonstrator-rlv-td-successfully
Basis-Informationen: http://www.isro.gov.in/technology-development-programmes/reusable-launch-vehicle-technology-demonstration-program-rlv-td
Bilder-Galerie: http://www.isro.gov.in/rlv-td/reusable-launch-vehicle-technology-demonstrator-rlv-td-images

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