Astronomen hätten soeben in historischen Daten aus dem Jahr 1917 den Planeten eines fremden Sterns entdeckt, tönte es in den letzten Tagen – aber so ganz stimmt das nicht: Der Hinweis auf das fremde Planetensystem ist zwar tatsächlich nach heutigem Wissensstand eindeutig aber doch ziemlich indirekter Natur. Und gefunden und publiziert worden war er bereits im Oktober 2014. Bei dem Stern, heute als van Maanen 2 bekannt, handelt es sich um einen Weißen Zwerg, also den kompakten Endzustand von Sternen wie der Sonne: Vor 99 Jahren war dieser Sterntyp noch gar nicht bekannt. So ordnete Adriaan van Maanen seiner Entdeckung in der kurzen Arbeit „Zwei schwache Sterne mit großer Eigenbewegung“ von 1917 den Spektraltyp „ungefähr F0″ zu, weil es ihn mangels besseren Wissens für einen gewöhnlichen Stern der Hauptreihe hielt: erkennbar an zwei starken Absorptionslinien in seinem Spektrum, den H- und K-Linien des chemischen Elements Natrium. Recht behielt van Maanen freilich mit der schnellen Bewegung des Sterns am Himmel, 3 Bogensekunden pro Jahr, denn es ist der erdnächste bekannte Weiße Zwerg: 1919 publizierte er auch seine große Parallaxe von 0.24“ und wunderte sich dabei über die geringe absolute Helligkeit des Sterns. Und korrekt war auch seine Identifizierung der Spektrallinien – bloß dass ihre Anwesenheit geradezu zwingend auf ein Planetensystem hinweist, das sollte erst rund 90 Jahre später klar werden!
Erst um das Jahr 2007 haben sich nämlich die Theoretiker davon überzeugt, dass ein – sich selbst zerreibendes und den Stern mit Staub überschüttendes – Planetensystem die einzige Erklärung dafür ist, dass Weiße Zwerge überhaupt schwere Elemente (wie nämliches Natrium) in ihren oberen Schichten besitzen können: Bei der starken Schwerkraft dieser kompakten Sterne sinken diese binnen Tagen in ihr Innerstes hinab, das war schon um 1945 klar. Eine ständige Quelle ist also erforderlich, und da auch das lange favorisierte interstellare Medium letztlich nicht ausreicht, bleibt nach heutigem Wissen nur noch ein planetares System übrig, um Weiße Zwerge „zu verschmutzen“, wie das im Fachjargon heißt. Angenommen werden dazu dichte Asteroidengürtel, in denen sich die kleinen Planeten gegenseitig zerreiben, auch angetrieben durch die Schwerkraft ausgewachsener Planeten, und der Staub spiraliert dann auf den Weißen Zwerg hinab, wo sich seine schweren Elemente in Absorption verraten. Dass bereits das 1917-er Spektrum von van Maanen 2 genau dieses Phänomen zeigt, fand 2014 durch Zufall Benjamin Zuckerman heraus, der von einem „Heureka-Moment“ seiner wissenschaftlichen Laufbahn schwärmt. Und diesen Monat nun wurde sein damals wenig beachteter Fund von Jay Farihi in London in einem großen Übersichtsartikel über schmutzige Weiße Zwerge erwähnt, was wiederum die Carnegie Institution (die van Maanen 2s Spektrum hütet) für bemerkenswert hielt: Ihrer jetzigen Pressemitteilung – die Zuckerman nicht mal erwähnt – verdankt das alte Spektrum seinen späten Ruhm.
Daniel Fischer
LINKS:
van Maanens Paper von 1917: http://articles.adsabs.harvard.edu/full/1917PASP…29..258V
van Maanens Paper von 1919: http://articles.adsabs.harvard.edu/full/1919AJ…..32…86V
Zuckermans Paper von 2014: http://arxiv.org/abs/1410.2575
Farihis Paper von 2016: http://arxiv.org/abs/1604.03092
Carnegie Press Release: https://carnegiescience.edu/node/2019
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