Meldungen aus der Forschung

Gravitationslinsen im Doppelpack: Rekord-ferner Stern 2000-mal heller

In solcher Entfernung war noch kein normaler einzelner Stern gesichtet worden, aber gleich zwei Gravitationslinsen-Effekte in Kombination haben es möglich gemacht. Sie haben zeitweise so viel seines Lichts – das 9,4 Milliarden Jahre unterwegs war – in Richtung Erde gebündelt, dass der Blaue Überriese ein paar Monate lang um einen Faktor 2000 heller erschien und so überhaupt erst entdeckt werden konnte: ein Entfernungsrekord zumindest für einen Einzelstern, der nicht gerade eine Explosion erleidet.

Die Krümmung des Raumes durch die Schwerkraft ganzer Galaxienhaufen aber auch einzelner Sterne verschafft der Astronomie mitunter ein Extra-Teleskop kosmischen Ausmasses – wenn die Geometrie genau passt. Im Falle des Galaxienhaufens MACS J1149.6+2223 könnte sie besser nicht sein: Eine seiner Galaxien war bereits durch die fünffache Abbildung einer Supernova in einer Hintergrundgalaxie („Supernova Refsdal“) zu Berühmtheit gelangt, und nun hat offenbar einen Einzelstern in derselben Hintergrundgalaxie ein noch dramatischerer Linseneffekt ereilt. Er befindet sich aus Sicht der Erde an einer geometrisch hervorgehobenen Position relativ zum gesamten Galaxienhaufen, nämlich in unmittelbarer Nähe der sogenannten Kritischen Kurve. Dort kann der Linseneffekt das Licht von Punktquellen in Hintergrund um das Mehrtausendfache ansteigen lassen, weil Licht auf sehr vielen ‚Bahnen‘ gleichzeitig Richtung Erde abgelenkt wird: Im konkreten Fall führt das zu einer Helligkeitssteigerung des fernen Sterns um einen konstanten Faktor von etwa 600.

Im Detail ist alles viel komplizierter: LS1/Lev16A alias Ikarus ist das Haupt-Linsenereignis, in Bild a vor, in Bild b 2016 nach seiner maximalen Verstärkung. Der dann erschienene LS1/Lev16B alias Iapyx ist vermutlich ein weiteres Bild desselben fernen Sterns, für das aber ein anderer Vordergrundstern gesorgt hat. Und das mögliche dritte Ereignis LS1/Lev17A alias Perdix im Folgejahr (Bild c) könnte ein schwaches Linsenbild eines anderen fernen Sterns sein. In Rot ist die „kritische Kurve“ (mit Fehlergrenzen) eingezeichnet, wo der Linseneffekt durch den Galaxienhaufen ganz besonders stark ist. [Kelly et al.]
Die Helligkeit seines Bildes schwankt indes innerhalb von Wochen stark, doch ohne dass es dabei zu irgendeiner Farbveränderung käme: Das spricht gegen Veränderungen auf dem Stern selbst wie etwa Eruptionen. Vielmehr ist zusätzlich auch noch „Microlensing“ im Spiel, bei dem das Schwerefeld einzelner Sterne ganz nahe an der Sichtlinie – in diesem Fall einige Sonnenmassen, die sich im Galaxienhaufen zwischen den Galaxien aufhalten, aus denen sie entwichen sind – das Licht noch weiter verstärken kann, was 2016 eine zeitweise Helligkeitssteigerung um einen Gesamtfaktor 2000 bewirkte. Das Gesamtbild ist ziemlich kompliziert (Microlensing kann Sterne auch abschwächen, was hier eventuell einem Nachbarn des verstärkten Sterns widerfahren ist) und im Detail nicht immer eindeutig zu interpretieren. Aber durch die kombinierte Linsenwirkung öffnen sich ganz neue Fenster in ferne Welten und insbesondere auf die Populationen der sonst unsichtbaren Einzelkörper im intergalaktischen Raum des Vordergrund-Haufens, die für das Microlensing sorgen.
Das ebenso bunte wie komplizierte Gesamtbild, aufgeschlüsselt: auf der Hubble-Aufnahme unten die hellsten vier Bilder der „Supernova Refsdal“, um deren Beobachtung es eigentlich gegangen war, als blaues Fasergewirr oben und unten gelinste und stark verzerrte Bilder der Galaxie, zu der Refsdal wie der Rekordstern gehören – und gestrichelt die „kritische Kurve“ des Galaxienhaufens. Die diversen LS1-Bilder liegen unmittelbar beiderseits von ihr. [Kelly et al.]
LINKS:

Originalarbeit zur Entdeckung: https://www.nature.com/articles/s41550-018-0430-3
Hubble Release mit weiterer Originalarbeit: http://hubblesite.org/news_release/news/2018-13
Univ. of Arizona Release: https://uanews.arizona.edu/story/hubble-telescope-sights-most-distant-star-ever-seen

Daniel Fischer

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Daniel Fischer

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