GN-z11: Ein neuer Entfernungsrekord mit Hubble!

Selbst nach seinen mittlerweile über 25 Jahren in der Erdumlaufbahn liefert das Hubble-Weltraumteleskop (HST) immer noch großartige Erkenntnisse. So ist es jetzt einem internationalen Astronomen-Team gelungen, mittels spektroskopischer Beobachtungen einen neuen sensationellen Entfernungsrekord aufzustellen. Denn nach ihrer Untersuchung ist das Licht des Objekts mit der Bezeichnung GN-z11 insgesamt 13,4 Milliarden Jahre lang zu uns unterwegs, entsprechend einer Rotverschiebung von z=11,1. Das macht diese Galaxie zum aktuell entferntesten Objekt überhaupt; der vorherige Rekord lag bei z=8,68, was eine Lichtlaufzeit von 13,2 Milliarden Jahre bedeutet. So schauen wir mit dem 13,4 Milliarden Jahre alten Licht von GN-z11, das dank des Hubble-Weltraumteleskops analysiert werden konnte, in eine Zeit zurück, als das Universum erst 400 Millionen Jahre alt war! Zu diesem Zeitpunkt hatte das Universum erst 2,9 Prozent seines heutigen Alters von 13,8 Milliarden Jahren.

Dass GN-z11 eine ungewöhnliche Galaxie darstellt, fiel der Gruppe um Pascal Oesch von der Yale University bereits bei einer früheren Beobachtung auf. Als hellste und somit leuchtkräftigste Galaxie im frühen Universum hatte sie die Astronomen überrascht. Mit photometrischen Methoden konnte die Rotverschiebung des Objekts GN-z10-1 (damalige Bezeichnung von GN-z11) auf 10,2 abgeschätzt werden, doch für eine direkte Entfernungsbestimmung war eine spektroskopische Messung nötig und so beantragte das Team im Juli 2014 weitere Beobachtungszeit. Für die Nachfolgebeobachtung wurde das Weltraumteleskop im Februar und April 2015 erneut auf den rötlichen und äußerst schwachen Lichtpunkt im nördlichen Teil des Sternbilds Großer Bär ausgerichtet. Die dabei gewonnenen Spektren, die mit dem IR-Kanal von Hubbles WFC3-Instrument aufgenommen wurden, dürften sogar die Erwartungen der Astronomen übertroffen haben, denn GN-z11 ist tatsächlich noch weiter entfernt als bisher angenommen. Die Daten ließen zwar keine direkte Spektrallinie erkennen, nach einer trickreichen Bearbeitung offenbarte sich jedoch ein spektrales Merkmal im Nahinfraroten (bei 1,47 Mikrometern). Nach Ansicht des Teams konnte es sich dabei nur um die hochrotverschobene Lyman-alpha-Spektrallinie, die sonst im fernen UV-Bereich (bei 121,6 Nanometern) liegt, handeln. Damit zeigt dieser Fund: Die Galaxie besitzt tatsächlich eine sehr hohe Rotverschiebung von 11,1, so dass wir mit GN-z11 in die Zeit nur 400 Millionen Jahre nach dem Urknall schauen können! Denn alle anderen Möglichkeiten, das Spektrum als Vordergrundgalaxie zu interpretieren, konnten bei der Datenanalyse ausgeschlossen werden. Das macht die Galaxie somit zum aktuell entferntesten Objekt überhaupt, und wie es in der Veröffentlichung heißt, könnte das bis zur Inbetriebnahme des James-Webb-Weltraumteleskops (JWST) vielleicht noch so bleiben. Gleichzeitig ist GN-z11 auch ein sehr wichtiges Studienobjekt für die Theoretiker, die sich mit der Galaxienentwicklung im frühen Universum beschäftigen. Denn die Theorien, die die rasante Entstehung (in einigen 100 Millionen Jahren) von supermassiven Schwarzen Löchern und Galaxien erklären sollen, stehen durch Entdeckungen wie diese weiterhin auf dem Prüfstand.

Mit den neuen Messungen konnte Oeschs Gruppe aber nicht nur einen neuen Rekordhalter bestätigen, sondern auch weitere Eigenschaften abschätzen. Zusammen mit anderen Beobachtungen ergaben Modellrechnungen, dass die Galaxie lediglich eine Masse von 1 Milliarde Sonnenmasse (rund 1 Prozent der Masse der Milchstraße) besitzt und die Sternpopulation nur ein Alter von 40 Millionen Jahren aufweist. Bei GN-z11 könnte es sich also um ein wirklich sehr junges Sternsystem handeln, wobei die Galaxienbildung längst noch nicht abgeschlossen ist, denn bei einem Weltalter von 400 Millionen Jahren befinden wir uns erst am Anfang der kosmologischen Ära der Reionisation. So weit in die kosmische Frühgeschichte hat der Mensch noch mit keiner Galaxie geblickt.

Nico Schmidt

 

LINKS:

ESA-Pressemitteilung: http://spacetelescope.org/news/heic1604/

Facharbeit: http://arxiv.org/abs/1603.00461

Nico Schmidt

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