Ein zweites Universum im Großcomputer

Es klingt verwegen: den noch ganz simpel gestrickten Kosmos im Alter von 12 Millionen Jahren und einige physikalische Gesetze hineinstecken, die nächsten 13 Milliarden Jahre simulieren und hoffen, dass der heutige Kosmos herauskommt – aber genau das hat das »Illustris Project« vollbracht, dessen Ergebnisse diesen Monat präsentiert wurden. Drei Großrechner, davon einer in Deutschland, hatten 12 Milliarden einzelne Zellen verfolgt, deren Größe sich immer dort anpasste, wo gerade etwas Spannendes passierte. Sie bildeten ein würfelförmiges Volumen mit einer Kantenlänge von 350 Mio. Lichtjahren ab, zwar nur ein kleiner Ausschnitt aus dem realen Kosmos aber repräsentativ auch für seine größten Strukturen. Die wichtigste Ingredienz war die Dunkle Materie, wie auch schon in früheren Simulationen: zwar immer noch unbekannter Natur, aber unverzichtbar, damit die kosmischen Strukturen so wachsen wie in der Wirklichkeit. Die Dunkle Materie dominiert die Masse des Alls, aber diesmal spielte auch normale Materie mit, Gas mit realen physikalischen Eigenschaften und sogar etwas Chemie.

Das Gerüst aus der Dunklen Materie bildet ein regelrechtes Skelett des Universums, das Gas sammelt sich vornehmlich an den Knoten, und eine Vielzahl von Prozessen läuft ab – genau wie sie die Astronomie in den vergangenen Jahrzehnten tatsächlich in den Tiefen des Alls beobachtet hat. Galaxien bilden sich, erst kleine Klumpen, dann aus ihnen immer größere.

Das heutige Universum ist vom Ergebnis von Illustris kaum zu unterscheiden: ein realistischer Mix aus elliptischen, Spiral- und irregulären Galaxien ist entstanden – und die 41000 künstlichen Galaxien sind im Raum so verteilt, wie es mit Teleskopen wirklich beobachtet wird. Kann die Astronomie nun eingestellt werden, da der Kosmos vollständig im Computer nachgespielt wurde? Natürlich nicht: Zum einen beweist die hohe Übereinstimmung von Simulation und Realität, dass man die die wesentlichen Bestandteile des Kosmos und ihre zeitliche Entwicklung tatsächlich verblüffend gut im Griff hat – ein epochaler Moment in der menschlichen Geistesgeschichte. Aber im Detail bleibt noch viel zu tun: Besonders bei den kleinen Galaxien gibt es noch Widersprüche zwischen Simulation und Realität, die die Forschung in neue Richtungen lenken. Illustris hat zwar demonstriert, dass ein Kosmos mit Dunkler Materie und auch Dunkler Energie, die seine Expansionsgeschichte bestimmt, offensichtlich der richtige ist. Aber was eigentlich die Physik hinter diesem dominanten Dunklen Universum ist, das verrät auch Illustris nicht.

Daniel Fischer

Homepage des Projekts:
www.illustris-project.org
Pressemitteilung des Heidelberger Instituts für Theoretische Studien:
www.h-its.org/deutsch/presse/pressemitteilungen.php?we_objectID=1079
Kurzvortrag von Volker Springel:
www.youtube.com/watch?v=7v5SpKkpcts
Daniel Fischer

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