Ein Sternhaufen, der keiner ist: NGC 6863

Dieser vermeintliche Überrest eines Offenen Sternhaufens ist keiner: Die vier hellen Sterne, die im Wesentlichen NGC 6863 bilden, haben rein gar nichts miteinander zu tun. Ein Asterismus also, sonst nichts. [Digitized Sky Survey]
Wenn sich ein Offener Sternhaufen, also eine Ansammlung von Sternen, die gemeinsam entstanden sind, schon fast in alle Winde zerstreut hat, bleibt nur noch ein »Open Cluster Remnant« zurück, der aus einem oder mehreren eng aneinander gebundenen Doppelsternen oder vielleicht auch einem hierarchischen System besteht: Das war bereits in den 1960-er Jahren bei numerischen Simulationsrechnungen heraus gekommen, aber erst seit den 1980ern wird nach solchen Haufenresten gesucht.

Gehört NGC 6863 dazu? In der Literatur wurde diese Handvoll Sterne mal als kleiner Offener Sternhaufen abgehakt (so im 19. Jahrhundert von Herschel, der 1827 zum ersten Mal darauf gestoßen war) und mal verworfen, jeweils nach dem allgemeinen optischen Eindruck — aber der individuellen Sterne scheint sich nie jemand wirklich angenommen zu haben. Bis jetzt, als Astronomen aus Chile, Spanien und Italien systematisch die hellsten vier unter die Lupe nahmen, mit Photo- und Astrometrie, Spektroskopie und Simulationsrechnungen. Das Ergebnis ist an Eindeutigkeit nicht zu überbieten: Die vier Sterne haben weder dieselben Radialgeschwindigkeiten noch Parallaxen noch Metallitäten und so unterschiedliche Spektren, dass sie vier verschiedenen Populationen angehören müssen — sie haben schlicht nichts miteinander zu tun! Und auch das Farben-Helligkeits-Diagramm der schwachen Sterne in ihrer unmittelbaren Umgebung passt nicht zu einem Sternhaufen oder einem Überrest davon. NGC 6863 muss endgültig aus den Katalogen für Offene Sternhaufen oder deren Überreste in die undankbare Klasse der Asterismen verschoben werden: Sternen, die nur zufällig an unserem Himmel dicht nebeneinander stehen und einen physischen Zusammenhang vortäuschen.

Daniel Fischer

Die Untersuchung: arxiv.org/abs/0912.0653
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