Ein dicker Planet weit draußen im Sonnensystem?

Noch niemand hat ihn gesehen, es ist noch nicht einmal sicher, dass ihn in den kommenden Jahrzehnten irgendein Instrument würde finden können, aber zumindest wird seine Existenz nicht von bisherigen Himmelsdurchmusterungen ausgeschlossen: ein heute postulierter hypothetischer Planet mit rund zehn Erdmassen weit draußen im Sonnensystem, der sich allein durch seine Schwerkraftwirkung auf andere Körper weit jenseits des Neptuns verrät. Dort gibt es den Kuiper-Gürtel mit zahllosen großen und kleinen Eiskörpern (darunter mindestens vier Zwergplaneten wie den Pluto), die alle unter Kontrolle des Neptun als sonnenfernstem Planeten stehen. Manches Kuiper-Objekt wagt sich auf seiner Bahn noch in weit größere Sonnendistanz, eine Handvoll jedoch bleiben immer der Sonne so fern, dass sich auch mit Neptun nichts mehr zu tun haben. Die große Sedna war 2003 die erste Entdeckung dieser Art gewesen, und der Fund der „zweiten Sedna“ 2012 VP113 vor zwei Jahren hatte die Theoretiker in neue Aufregung versetzt: Die Bahnen aller bis dahin bekannten Himmelskörper dieser Klasse (Grafik) waren nämlich im Raum höchst ungleichmäßig verteilt, was auf eine unsichtbare steuernde Kraft hinzu weisen schien.

Heute nun haben zwei Astronomen des Caltech in Kalifornien eine theoretische Arbeit vorgelegt, die das Muster der Bahnen nahezu perfekt erklären kann – indem ein neunter Planet in 700 Astronomischen Einheiten (100 Mrd. km) Entfernung mit 10 Erdmassen auf einer elliptischen Bahn (e=0,6) angenommen wird, ein eisiger Neptun auf Abwegen sozusagen. Seine Schwerkraftwirkung würde mit einem Schlag eine ganze Reihe mysteriöser Eigenschaften des äußeren Kuipergürtels erklären und auch, wie Sedna, 2012 VP113 und Co. überhaupt auf ihre Umlaufbahnen jenseits des Neptun gelangten. Der Planet würde so wenig Sonnenlicht zurück werfen oder eigene Strahlung absondern, dass er in keiner der zahlreichen tiefen Himmelsdurchmusterungen des äußeren Sonnensystems aufgetaucht wäre. Allerdings stellt sich die Frage, wo denn seinerseits dieser massereiche Planet quasi im Nirgendwo hergekommen wäre: Dort gebildet haben kann er sich nicht, die Materiedichte der Scheibe um die Ursonne war viel zu gering. Also kommt nur eine Entstehung weiter innen im Sonnensystem in Betracht, mit anschließendem Kick nach draußen. Da der hypothetische Planet selbst auf absehbare Zeit unbeobachtbar bleiben dürfte, sind weitere Erkenntnisse über seine Eigenschaften – oder auch nur Existenz – alleine aus der intensiven Beobachtung von möglichst vielen anderen Objekten zu gewinnen: ein unbefriedigender Zustand.

LINKS:

Originalarbeit: http://iopscience.iop.org/article/10.3847/0004-6256/151/2/22;jsessionid=9DAB98EED9CB30448604A2F4CA0F8752.c5.iopscience.cld.iop.org
Caltech Press Release: http://www.caltech.edu/news/caltech-researchers-find-evidence-real-ninth-planet-49523
Entdeckung von 2012 VP113: http://www.oculum.de/newsletter/astro/200/10/0/210.asp#6

Daniel Fischer

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