E-ELT »nur« noch 39m groß

Im Sprachgebrauch der Europäischen Südsternwarte ist es immer noch ein Teleskop der »40-Meter-Klasse«, aber es schmerzt schon: Aus Kostengründen hat sich der ESO-Rat entschieden, den Durchmesser des Hauptspiegels des European Extremely Large Telescope (E-ELT) von den seit etwa 5 Jahren vorgesehenen 42m auf 39,3m zu reduzieren, den Sekundärspiegel gar von 5,9m auf 4,2m, und das Öffnungsverhältnis wird deutlich »schneller«. Damit verringert sich wiederum die Größe des Schutzbaus, und alles zusammen schlägt sich als Senkung der Gesamtkosten um fast ein Fünftel, von 1,275 auf 1,05 Milliarden Euro des Jahres 2011, nieder. Das aber sieht die ESO als entscheidend an, um das Projekt überhaupt noch, und in einem vertretbaren Zeitrahmen, realisieren zu können: Auch jetzt noch sind 250 Mio. Euro extra – verteilt auf die Mitgliedsstaaten – und eine jährliche 2%ige Erhöhung der Beiträge über das Übliche hinaus erforderlich, aber die Zusagen dafür treffen nun fast im Wochenrhythmus ein: Nach Tschechien am 3. Juni hat sich am 16. Juni auch Schweden – das einst von einem nationalen 50m-Teleskop träumte – bereit erklärt. Angesichts dessen spricht die ESO nun von einem »soliden Finanzierungs-Szenario«.

Den entscheidenden Schub hatte das E-ELT durch den ESO-Beitritt Brasiliens erhalten, dessen »Eintrittsgeld« maßgeblich in das Projekt fließen wird: Noch diesen Dezember wird das endgültige grüne Licht für das kühne Projekt erwartet, gefolgt vom Baubeginn Anfang 2012 und der Fertigstellung nach 10 bis 11 Jahren; beim alten Preis wären es mindestens 16 Jahre geworden. Wird das E-ELT um 2022 das weltweit erste optische Teleskop der 25m- bis 40m-Kategorie sein? Im Idealfall wären die beiden kleineren amerikanischen Konkurrenten GMT und TMT zwar schon vor 2020 fertig, doch beide Projekte haben jeweils – trotz zum Teil enormer Privatspenden – erst einen Bruchteil ihrer Baukosten zusammen. Mit seinen 39,3 Metern kann das E-ELT immer noch 15 Mal mehr Licht sammeln als die größten heute verfügbaren optischen Teleskope, und eine Fülle bislang unmöglicher Projekte wird ermöglicht, oft in Koordination mit dem wohl ebenfalls erst um 2020 startenden James Webb Space Telescope. Doch einige spezielle Anwendungen, bei denen für extrem scharfe Abbildungstechniken jeder Meter Spiegeldurchmesser zählt, dürften leiden: Dazu gehören ausgerechnet die ungemein populären Versuche, erdähnliche Planeten fremder Sterne direkt abzubilden.

Daniel Fischer

ESO-Pressemitteilung:
www.eso.org/public/announcements/ann11034
Hintergründe:
news.sciencemag.org/scienceinsider/2011/06/europe-downscales-monster-telescope.html
Großspende für’s GMT:
www.science.tamu.edu/articles/806
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