Drei Jahre nach dem Meteor von Tscheljabinsk: Das Geheimnis geht weiter

Das „Tscheljabinsk Ereignis“ vom 15.02.2013 zählt wohl zu den am gründlichsten dokumentierten Vorkommnissen seiner Art. Den Meteoritenfall  rund um die Stadt Tscheljabinsk im russischen Ural verfolgte trotz seiner Unvorhersehbarkeit nicht nur die weltweite Wissenschaftsgemeinde, sondern dank einer Vielzahl von Videoaufzeichnungen auch eine breite Öffentlichkeit. Vielfach wurde in der Vergangenheit aufgrund des am selben Tag stattgefundenen Vorbeifluges von (367943) Duende über einen Zusammenhang der beiden Ereignisse spekuliert. Oder beide Geschehen wurden gar miteinander verwechselt, bzw. als ein und dasselbe Vorkommnis angesehen. Ein solcher Kontext ist jedoch aufgrund der unterschiedlichen Umlaufbahnen beider Objekte ausgeschlossen und die kurze Zeitdifferenz nach derzeitigem Forschungsstand tatsächlich zufällig.

Drei Jahre und hunderte wissenschaftliche Studien später liegt der Ursprung des unerwarteten Besuchs, dessen Auswirkungen durch sein Auseinanderbrechen und der damit einhergehenden Druckwelle hohe Sachschäden verursachte und annähernd 1500 Personen zum Teil schwer verletzte, noch immer weitestgehend im Dunkeln. Um den Mutterkörper (bzw. dessen Orbit) des Superboliden zu ermitteln ist es unter anderem auch notwendig, die genaue Geschwindigkeit, mit der der größte bekannte Meteor seit über 100 Jahren  in die Hochatmosphäre der Erde eindrang, zu bestimmen.

Eine Zeit lang galt der Asteroid (86039) 1999 NC43 als wahrscheinlichster Mutterkörper. Dem ungeachtet gilt es zwischenzeitlich allerdings als gefestigt, dass der Impaktor und 1999 NC43 vor dem Hintergrund von dynamischen sowie kompositorischen Gesichtspunkten, nicht miteinander ein Einklang zu bringen sind.

Der geostationäre Satellit Meteosat-10 hatte seinerzeit die Spur des Feuerballs (in der Mitte des Bildes am Horizont) über Russland beobachtet [EUMETSAT]
Ausgehend von den bekannten Einschlagparametern wurden im Laufe des vergangenen Jahres eine Reihe von orbitalen Lösungsvorschlägen hinsichtlich des unbekannten Mutterkörpers diskutiert. Alternativ dazu steht die Suche nach dynamisch verwandten Körpern im Fokus des Interesses. Und aus diesem Blickwinkel heraus stellt sich 2011 EO40 als vergleichbarer Kandidat  des Superboliden dar. Spektroskopische Analysen zeigen bis jetzt allerdings wenig bis gar keine „genetischen“ Übereinstimmungen. Die diesbezüglichen Untersuchungen sind jedoch noch nicht abgeschlossen und die Datenlage zu wenig belastbar, um die Möglichkeit eines gemeinsamen Ursprungs beider kosmischer Objekte letztgültig auszuschließen.

Das Hauptproblem bei der Identifizierung des tatsächlichen Mutterkörpers, respektive seiner genauen Bahnparameter, resultiert aus einer fast schon erschreckend simplen Tatsache heraus:  Himmelsmechanisch betrachtet, ist das Sonnensystem ein ziemliches Durcheinander von sich überlappenden gravitativen Resonanzen. Die Einflüsse solcher Bahnresonanzen führen mitunter dazu, dass Asteroiden heterogenen, oder auch ungleichen Ursprungs, auf sehr ähnliche Umlaufbahnen gezwungen werden.  Gruppen von Asteroiden also, die unter rein dynamischen Gesichtspunkten gleichen Ursprungs, bzw. nahe verwandt sein könnten, müssen somit nicht auch gleichzeitig in physikalischer Verbindung stehen, oder dieselbe chemische Zusammensetzung aufweisen.

Im Hinblick auf die Identifizierung der Gruppe, der der Mutterkörper des tscheljabinsker Boliden angehört haben könnte, verdichten sich zuletzt die Indikatoren, die für die Zugehörigkeit zur sogenannten Ptah-Gruppe sprechen. Sie ist  eine Fraktion von Asteroiden des Apollo-Typs mit ähnlichen Bahnen, von denen einer der größeren Brocken – (5011) Ptah – namensgebend war.

Vermutlich befand sich der tscheljabinsker Impaktor anfangs auf einer ähnlichen Bahn wie 2011 EO40. Eine Passage am 15.02.1982 durch ein Gravitationsschlüsselloch in nur 0,0015 AE (225.000 km) Entfernung zur Erde führte zu einer Bahnänderung und über drei Jahrzehnte später schließlich zum beobachteten Ereignis. Ein Gravitationsschlüsselloch ist der Bereich im Gravitationsfeld eines Planeten, den ein bahnkreuzender Asteroid passieren muss, um derart abgelenkt zu werden, so dass er sich bei einer folgenden Begegnung auf einem Kollisionskurs zum Planeten befinden kann.

Lars-C. Depka

ESA Mitteilung zum Meteor von Tscheljabinsk

Originalarbeit

 

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