Wissen

Diskurs & Diskussion: »Typisch Jungfrau!«

Sie stehen auf einer Party, der Small-Talk hat Gluten, Globuli und G8-Abitur schon hinter sich, da hören Sie etwas von Aszendenten und Konjunktionen. Sie wissen: Mein Hobby Astronomie ist nicht gemeint. Jetzt müssen Sie sich entscheiden.

In Situationen wie diesen hätte ich früher jedem, der es gewagt hätte, in meiner Gegenwart das Hohelied der Astrologie zu singen, dermaßen Paroli geboten, dass es eine Art hat. Jetzt warte ich erst mal ab. Ich werde keinen wissenschaftlichen Bekehrungsversuch der attraktiven Mittvierzigerin starten, die allerdings fortfährt, von Zusammenhängen zwischen Sternzeichen und Charaktereigenschaften zu fabulieren. Was die Dame persönlich glaubt, ist mir, wenn ich so sagen darf, rektal passant. Doch jetzt macht sie einen Fehler. »Das ist wissenschaftlich bewiesen!«, behauptet sie keck. »Jetzt hast du mein Spielfeld betreten, Baby«, denke ich und bin unmittelbar davor, zu einer geharnischten Replik anzusetzen, die zwar der Wahrheit eine Bresche geschlagen, der Partystimmung aber Bremsspuren verpasst hätte. Doch da 90% der Anwesenden meinen astronomischen Background kennen, richten sie die Blicke auf mich: Was sagt der solchermaßen provozierte Experte? »Der Himmel ist für alle da«, formuliere ich diplomatisch. Was ist passiert? Sollte ich bei mir erste Anzeichen von Altersmilde diagnostizieren?

Widerstand ist zwecklos

Ich kann Ihnen erklären, warum ich meine anti-astrologischen Missionierungsversuche eingestellt habe. Es hat keinen Zweck. Klar geworden ist mir das in folgender Situation. Ich saß vor Jahren in einer netten Runde bei einem leckeren Glas Rotwein und versuchte einer Bekannten geduldig die Astrologie auszureden. Das übliche Programm: Die Beweispflicht liegt bei den Astrologen, es gibt aber keinerlei erwiesene Zusammenhänge zwischen Sternen oder Planeten und bestimmten Charaktereigenschaften oder gar konkreten Ereignissen. Sternzeichen haben nichts mit den Sternbildern gleichen Namens zu tun. Es gibt viele widersprüchliche Spielarten der Astrologie. Die Texte sind derart vage formuliert, dass immer etwas als passend empfunden wird etc. etc. Hach, ich war in Bestform! Jeder Mensch guten Willens müsste doch mühelos meiner Argumentation zustimmen können. Die Angesprochene aber schaut mich leicht amüsiert an und sagt (in Kenntnis meines Geburtsdatums) nur: »Typisch Jungfrau!« Touché…

Entspannt euch!

Wenn Sie nicht im Zustand verbissener Dauer-Pädagogik auf Ihre Umgebung wirken wollen: Entspannen Sie sich! Esoterik aller Art wird es immer geben. Leute werden immer das glauben, was sie wollen. Sie lassen sich meistens nicht überzeugen. Und in dem Fall, dass Sie es mit einem netten Menschen zu tun haben, besteht die Gefahr, dass er sich durch Ihre Belehrungsversuche verletzt fühlt. Abgesehen davon, dass vermutlich eine Mehrheit der Mitmenschen nicht einmal die Begriffe Astronomie und Astrologie auseinanderhalten kann. Ich mache keinen Hehl daraus, dass Astrologie und ich sicher keine Freunde mehr werden. Davon abgesehen erzähle ich auf Wunsch gerne, was mich an der Erforschung und Beobachtung des Sternhimmels begeistert. Die gute Nachricht ist: Wer sich für das Thema Astronomie und Wissenschaft interessiert, wird schon selber merken, dass die Welt schon wunderbar genug ist und keinen zusätzlichen Hokuspokus braucht. Paul Hombach

Uns interessiert Ihre persönliche Meinung als Hobbyastronom oder Astronom: Diskutieren Sie gerne mit Fans von Horoskopen und Anhängern der Astrologie? Sind die Menschen offen für Ihre naturwissenschaftlichen Argumente oder stoßen Sie auf taube Ohren? Meiden Sie solche Gespräche lieber? Wie gehen Sie persönlich mit dem Thema um? Wir freuen uns auf Ihre Meinung unten in den Kommentaren oder auch auf unserer facebook-Seite.

Astronomischer Lesestoff: Wir empfehlen Ihnen auch die Ausgabe 7 (Februar/März 2017) von Abenteuer Astronomie. Das Heft bekommen Sie am Kiosk, direkt bei uns im Abonnement oder im Oculum Shop.

Redaktion

View Comments

  • Hallo,auch ich kenne diese Diskussionen.Meine diplomatische (typisch Krebs;-)) Antwort war : Astronomen gucken in die Vergangenheit,selbst das Licht der Sonne ist 8min.alt. Astrologen gucken in die Zukunft...
    cs Andre

    • 400 Jahre nach Kopernikus sollte dieser Unfug als das was es ist auch so benannt werden! Es bringt uns mit den wirklich wichtigen Problemen die wir haben auch nicht weiter. So wenig wie Hexenwahn oder Weltuntergänge.

  • "Ich glaube nicht an Astrologie. Ich bin Sternzeichen Schütze, und Schützen sind immer Skeptiker"

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