Die größte Himmelsdurchmusterung

Die größte Karte des Universums ist das zentrale, aber bei weitem nicht einzige Ergebnis der Sloan Digital Sky Survey: Dargestellt sind alle Galaxien bis zu einer Rotverschiebung von 0,15 oder 2 Mrd. Lichtjahren Entfernung, deren Distanzen die SDSS gemessen hat, in eine Ebene projiziert. Rote Punkte markieren dabei Galaxien, die von älteren Sternen dominiert werden. Die Anordnung der Galaxien auf Filamenten, die große Hohlräume umschließen, tritt besonders im unteren „Tortenstück“ hervor, weil es – senkrecht zur Bildebene – weniger dick ist. Die Lücken zwischen den beiden Teilen verursacht unsere eigene Milchstraßenebene: Der Staub verhindert hier systematische extragalaktische Astronomie. [M. Blanton and the SDSS]
Seit dem Jahr 2000 ist nach zehnjähriger Vorbereitung ein speziell entwickeltes 2,5m-Teleskop auf einem Berg in New Mexico ununterbrochen damit beschäftigt, den Himmel mit einer 125-Megapixel-Kamera in vielen Farben aufzunehmen oder von jeweils bis zu 640 Galaxien oder Sternen gleichzeitig Spektren zu gewinnen. Vor dieser Durchmusterung namens Sloan Digital Sky Survey (SDSS) gab es überhaupt keinen tiefen und mehrfarbigen Katalog im sichtbaren Licht, der große Teile des Himmels abdeckte, aber das hat sich gründlich geändert. Farbbilder von rund 300 Millionen Himmelsobjekten lagern nun in einem gewaltigen Datenarchiv, das jedermann zugänglich ist, und die detaillierten Eigenschaften von über einer Million Objekten sind bekannt. Von fast einer Million Galaxien und über 100000 Quasaren sind die Rotverschiebungen gemessen worden, das Maß schlechthin für ihre Entfernung: Eine dreidimensionale Karte von mehr als einem Viertel des Himmels mit Entfernungsangaben bis 2 Mrd. Lichtjahre (Abb.) ist das sichtbarste Ergebnis der achtjährigen Beobachtungskampagnen, die bis zum 14. Juli dieses Jahres liefen – und mit dem 15. Juli hat schon die SDSS-III begonnen.

Bei der ersten Phase 2000 bis 2005 hatte die dreidimensionale Kartierung unserer kosmischen Nachbarschaft im Mittelpunkt gestanden, die Kernaufgabe der SDSS – in Konkurrenz übrigens zu einem ähnlichen australischen Projekt, 2dFGRS. Danach waren drei Beobachtungsprogramme parallel vorangetrieben worden: eine weitere tiefe Durchmusterung in neuen Himmelsarealen, eine Supernova-Jagd in fernen Galaxien zu kosmologischem Nutzen und die „Sloan Extension for Galactic Understanding and Exploration“ (SEGUE), die sich mit der Struktur des Halos unserer eigenen Milchstraße beschäftigte. Die SDSS-III besteht sogar aus vier parallelen Programmen: Das detaillierte Klumpungsverhalten der kosmischen Galaxienverteilung in einem 7 Mal größeren Volumen soll Auskunft über wichtige Grundparameter des Alls geben, zwei SEGUE-Nachfolger werden den Aufbau der Milchstraße weit draußen wie nahe des Zentrums ergründen, und die Radialgeschwindigkeiten von 11000 Sternen werden überwacht, um die Statistik der Riesenplaneten zu verbessern. Und während SDSS-III bis 2014 Unmengen neuer Daten gewinnt, wird auch die Analyse der von SDSS-I und -II angehäuften mit immer neuen Methoden vorangetrieben. Selbst der Mithilfe enthusiastischer Amateurastronomen bedient man sich dabei zuweilen.

So kompliziert erscheint der Halo einer typischen Spiralgalaxie in Computersimulation, voller Sternspuren zerrissener Satellitengalaxien – und die SDSS-Beobachtungen von Sternen unserer eigenen Milchstraße bestätigen dieses Bild. Der simulierte Halo hat 1 Mio. Lichtjahre Durchmesser; die sichtbare Spirale hat man sich winzig klein in seinem Zentrum vorzustellen. [K. Johnston, J. Bullock]
Kaum ein Feld der Astronomie hat nicht von der SDSS profitiert: Die Flut der wissenschaftlichen Arbeiten – es sind bis jetzt rund 5000! – ist längst unüberschaubar geworden. Ein ganz neues Ergebnis ist der Nachweis, dass die markanten Hohlräume in der Galaxienverteilung („Voids“) nicht nur keine sichtbaren Galaxien, sondern auch keine Halos aus Dunkler Materie enthalten. Aus dem Klumpungsmuster der SDSS-Galaxien in den dichten Filamenten war die Beziehung zwischen ihnen und ihren Halos ermittelt und dann per Simulationsrechnung das Muster der Voids vorausgesagt worden, wenn dort keinerlei Materie sitzt: Rechnung und beobachtetes Bild stimmen überein. SEGUE verdanken wir die Erkenntnis, dass es in den inneren 75000 Lichtjahren der Milchstraße hunderte lange „Ströme“ aus Sternen geben muss, die Überbleibsel von Zwerggalaxien, die von Gezeitenkräften zerrissen wurden. Die Bewegungen von einer Viertelmillion Halosternen hat SEGUE vermessen und 14 Ströme – 11 davon vorher unbekannt – entdeckt, woraus sich die enorme Zahl hochrechnen lässt. Die SDSS hat aber auch 14 überlebende Satellitengalaxien aufgespürt, die meisten viel lichtschwächer als die 10 vorher bekannten Zwerge (siehe Kurzmeldung unten). Und auch zahlreiche Bewohner des Sonnensystems sind der SDSS-Kamera ins Bildfeld geraten, darunter auch mancher Exot wie die in einem Artikel unten beschriebene „Mini-Sedna“.

Daniel Fischer

 

Übergang zur SDSS-III: www.sdss.org/news/releases/20080815.mission_final.html
Milchstraßen-Halo: www.sdss.org/news/releases/20080816.segue_final.html
SDSS-III: www.sdss3.org
Daniel Fischer

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