Die Mitglieder der Internationalen Astronomischen Union haben sich – in der ersten elektronischen Abstimmung in der Geschichte dieses Dachverbands der Profiastronomen des Planeten – mit großer Mehrheit für die Empfehlung ausgesprochen, das Gesetz von der kosmischen Expansion künftig als „Hubble-Lemaître-Gesetz“ und nicht mehr nur „Hubble-Gesetz“ zu bezeichnen, um die Historie besser abzubilden. Seither wird wieder angeregt über die Rollen verschiedener Akteure bei der Entstehung der modernen Kosmologie diskutiert – und ob man eingeführte aber historisch fragwürdige Begriffe zu korrigieren trachten soll.
„Die XXX. Hauptversammlung der Internationalen Astronomischen Union beschließt zu empfehlen, dass von nun an die Expansion des Universums als ‚Hubble-Lemaître-Gesetz‘ bezeichnet werden möge“: Bereits auf der Versammlung im August in Wien waren 74% der 385 Anwesenden für diese Resolution gewesen, und bei einer folgenden elektronischen Abstimmung unter allen 11072 Mitgliedern bei einer Wahlbeteiligung von 37% sogar 78%. Bindend ist diese Empfehlung nicht, mehr eine Ermahnung, dass keineswegs jedes Naturgesetz von demjenigen entdeckt wurde, nach dem es benannt ist. Dass Edwin Powell Hubble zwar ein bedeutender Astronom war und um 1924 als erster beweisen konnte, dass Galaxien ferne Sternsysteme weit außerhalb der Milchstraße waren, bleibt unbestritten – aber genau so die Tatsache, dass er nicht der erste war, der eine lineare Beziehung der Entfernung und der Rotverschiebung von Galaxien fand. Und auch als er diese 1929 veröffentlichte, interpretierte er sie keineswegs als Expansion des ganzen Universums. Ganz anders dagegen Georges Edouard Lemaître, der bereits 1927 dieselbe Formel hingeschrieben hatte und sie im Rahmen der – damals in ihren kosmischen Konsequenzen erst schemenhaft durchdrungenen – Allgemeinen Relativitätstheorie als direkten Beleg für die Expansion des ganzen Universums interpretierte. Nur leider in Französisch und in einer kaum gelesenen Fachzeitschrift, während Hubble das Licht der Öffentlichkeit suchte. Handelnde Personen gab es aber noch viele mehr:
Dass das Gesetz der kosmischen Expansion allgemein nach Hubble benannt wird, hat er wohl Humasons Fürsprache zu verdanken, aber der nun empfohlene Zusatz wird der Geschichte viel gerechter: Die IAU meint explizit die Erkenntnis, dass der Kosmos expandiert und nicht die schon von etlichen vorher gemachte Beobachtung, dass fernere Galaxien sich schneller zu entfernen scheinen. Unter diesen Beobachtern war allerdings Slipher allen anderen um Jahre voraus, und er hat definitiv als erster geahnt, dass da etwas sonderbar ist: Deswegen gibt es nun auch die Forderung, doch besser von einem „Hubble-Lemaître-Slipher“-Gesetz (HLS-Gesetz) zu sprechen. Die IAU hätte noch tiefer graben und den Mitgliedern vor der Abstimmung mehr Informationen zur Verfügung stellen sollen, wird bereits kritisiert. Aber auch wenn die Empfehlung eines „Hubble-Lemaître-Gesetzes“ nicht komplett gerecht sein mag, so wird zumindest dem belgischen Astronomen (und Priester) endlich die gebührende Ehre zuteil. Er war nämlich nicht nur mit dem Expansionsgesetz seiner Zeit immer wieder weit voraus, sei es mit der Vorstellung einer Art Urknall – ausdrücklich nicht religiös über einen Schöpfungsakt motiviert – oder einer anfänglich langsameren Expansionsphase des Kosmos, der der Galaxienbildung förderlich war. Wird die IAU nun noch andere populäre Bezeichnungen in der Astronomie angehen, die nicht recht zur Historie passen (man denke nur an den Kuiper-Gürtel)? Vorerst ist das nicht geplant, lässt sie wissen – und auch alles andere, das Hubbles Namen trägt, von der konkreten Expansions-Rate des Alls bis zum Weltraumteleskop, bleibt wie es ist.
LINKS:
Die Resolution: https://www.iau.org/static/archives/announcements/pdf/ann18029e.pdf
Press Release der IAU zur Abstimmung: https://www.iau.org/news/pressreleases/detail/iau1812
Aufsatz zur Historie von 2011: http://articles.adsabs.harvard.edu/full/2011JRASC.105..197V
Aufsatz zu Lemaître von 2015: https://arxiv.org/abs/1503.08304
Aufsatz zu Slipher von 2018: https://arxiv.org/abs/1810.12416
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