Das Rätsel des Maunder-Minimums

Ein Schmetterlingsdiagramm, das näher an die Zeit des Maunder-Minimums heranreicht als jedes andere, hat R. Arlt aus tausenden Zeichnungen von J.C. Staudacher aus dem 18. Jahrhundert gewonnen. In dieser Version sind sämtliche 6285 ausgemessenen Flecken verarbeitet; auch wenn man sich nur auf die ziemlich oder sehr zuverlässig in heliographischen Koordinaten platzierten Flecken beschränkt, bleibt der Eindruck gleich: Erst ab Zyklus 2 oder 3 gibt es den bekannten Schmetterlingsflügel-Eindruck. [Arlt]
Die anhaltende Sonnenfleckenflaute bringt gelegentlich die Frage ins Spiel, ob uns nun wieder ein Maunder-Minimum bevorstehe, eine Wiederholung jener extrem geringen Sonnenaktivität zwischen 1645 und 1715. Damals verhielt sich das Magnetfeld der Sonne offensichtlich anders als in den 300 Jahren seither, ohne dass der Mechanismus der Fleckenunterdrückung bisher verstanden wäre. Vielleicht bringt nun die bemerkenswerte Fleißarbeit von Rainer Arlt vom Astrophysikalischen Institut Potsdam — Sternfreunden eher als Meteor-Spezialist bekannt — die Forschung ein entscheidendes Stück voran. Arlt analysierte 848 Sonnenzeichnungen des Nürnbergers J.C. Staudacher aus den Jahren 1749 bis 1796, also einige Jahrzehnte nachdem die Sonne wieder ihr »normales« Verhalten angenommen hatte. Die Zeichnungen waren der Forschung durchaus bekannt gewesen, bisher aber nur im Hinblick auf die Fleckenzahl ausgewertet worden. Arlt gelang es nun in akribischer Arbeit, die Positionen von 6285 Flecken an insgesamt 999 Tagen auszumessen und in solaren Koordinaten anzugeben: Die Grafik zeigt ihre heliographische Breite als Funktion der Zeit.

Die beiden Sonnenzyklen mit den laufenden Nummern 3 und 4 zeigen das heute auch beobachtete Verhalten: Zuerst tauchen die Flecken eher in hohen Breiten, also fern des Äquators, auf, dem sie im Lauf der Jahre immer näher rücken. In dieser Darstellung mag das an die Flügel eines Schmetterlings erinnern, weshalb man auch von einem Schmetterlingsdiagramm spricht. Bei den Zyklen 0 und 1 — die in bisher publizierten Diagrammen mangels Daten praktisch immer weggelassen wurden — scheint das Bild jedoch ein anderes zu sein: Von Anfang an treten Flecken auch nahe des Äquators auf. Zyklus Nr. 2 schließlich mag als Übergang zwischen diesen beiden Verhaltensweisen der Sonne gelten. Arlts Vermutung: Während des Maunder-Minimums — und noch in den Jahrzehnten danach — war das Sonnenfeld zeitweise quadrupolar statt bipolar wie heute, aus welchem (buchstäblich) tiefen Grund auch immer. Insofern droht uns jedenfalls kein neues Superminimum der Sonnenaktivität: Es sind bereits ein paar Flecken des neuen Zyklus gesichtet worden — immer in hohen Breiten.

Daniel Fischer

Die Arbeit von Arlt: www.arxiv.org/abs/0812.2233
Manfred Holl

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