Besitzt unser innerer Nachbarplanet Venus einen erstarrten oder noch immer flüssigen Kern? Der Beantwortung dieser Frage widmet sich derzeit die europäische Raumsonde Venus Express, die seit April 2006 als primäres Missionsziel die Erforschung der rund 20km dicken und dichten Wolkendecke der Venusatmosphäre betreibt. Die Lösung dieser Frage ist ein wichtiger Baustein, um das Wissen um die Entstehung der Planeten und ihrer Entwicklung im Sonnensystem zu verfeinern. Die im Zuge dessen angestellten Messungen mittels des VIRTIS genannten Instruments (Visible and Infrared Thermal Imaging Spectrometer) förderten nun überraschendes zutage: Unser wolkenverhangener Nachbarplanet scheint noch ein wenig langsamer zu rotieren als bislang angenommen. Seit den Ergebnissen ähnlicher Infraroterfassungen durch die Magellan-Sonde in den 1990er Jahren gilt die Tageslänge auf Venus mit 243 Erdtagen als relativ gesichert. Diese ausgiebige Rotationsperiode führt zu dem Paradoxon, dass der Venustag weitaus länger als ein Venusjahr (225 Tage) andauert.
Wie sich nun zeigt, scheint der Venustag sogar noch ein wenig länger als 243 Erdtage zu sein. Wie schon vor 16 Jahren wurde die dichte Wolkenhülle durch Infrarotaufnahmen durchdrungen, und charakteristische Oberflächenmerkmale in ihrer Bewegung unter der Sonde hindurch beobachtet. Wie sich zeigte, befanden sie sich schließlich um bis zu 20km von den Orten entfernt, an denen man sie auf der Grundlage der bisher akzeptierten Rotationsrate vermuten konnte. Eine Abweichung dieser Art führt zu einer durchschnittlichen Rotationsverschiebung von etwa sechseinhalb Minuten zu den Messwerten der Planetensonde Magellan, wobei kurzperiodische Effekte als Verursacher der veränderten Werte schon zum jetzigen Zeitpunkt weitgehend ausgeschlossen werden können. Der aktuelle Venustag beläuft sich darum nach derzeitigem Kenntnisstand auf 243,0185 Erdtage. Eine derart starke Zunahme der Tageslänge in einem astronomisch gesehen so kurzen Zeitraum ist überaus ungewöhnlich, denn die Magellan-Messungen gelten als sehr genau.
Als Ursache für die beobachtete Verlangsamung gelten nach aktuellen atmosphärischen Simulationen in erster Linie vermutlich die über Jahrzehnte andauernden Wetterzyklen der Venus, außerdem wechselseitig gravitative Einflussnamen bzw. Drehimpulsaustausche zwischen Venus und Erde am jeweils erdnächsten Punkt ihrer jeweiligen Bahnen (bei engen Begegnungen beider Planeten also), die sie bis auf 40 Millionen km zueinander heranbringt. Auch die Erde verliert an Drehgeschwindigkeit. Bei ihr spielen allerdings der Wind und die Gezeiten eine wesentlichere Rolle bei der Rotationsabbremsung. Die Tageslänge variiert dabei um etwa eine Millisekunde. Da sich die Masse eines potentiell festen Planetenkerns vornehmlich in Richtung Zentrum konzentrieren würde, wäre in einem solchen Fall die Rotation weniger anfällig gegenüber äußeren Einflüssen. Auch wenn die Frage nach dem Zustand des Venuskerns nicht endgültig geklärt ist, scheinen doch die Anzeichen in eine bestimmte Richtung zu deuten.
Lars-C. Depka
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