Aurora-Mission THEMIS gestartet: 5 Satelliten auf der Suche nach dem Auslöser der Substürme

AURORA

Substürme (substorms) in ein wesentlicher Prozess des Polarlichtgeschehens, der sich trotz intensiver Forschung in den vergangenen 50 Jahren immer noch dem Verständnis entzieht: Eben noch bestehen die Aurorae aus relativ statischen grünen Bändern, aber plötzlich werden sie viel heller und expandieren polwärts. Offensichtlich kommt es dabei zu einer explosiven Energiefreisetzung aus den Strahlungsgürteln der Erde in die obere Atmosphäre, wobei das ebenso in Isolation wie auch eingebettet in große; Magnetstürme geschehen kann; dann können sich bis zu 10 Substürme in rascher Folge ereignen. Den Mechanismus hinter den im Mittel alle vier Stunden auftretenden Substürmen zu ergründen, ist damit unverzichtbar, wenn man das »Weltraumwetter« insgesamt verstehen und sogar vorhersagen will. Klar ist nur, dass Teilchen aus dem Sonnenwind vom Magnetfeld der Erde gefangen werden und im Magnetschweif auf der sonnenabgewandten Seite hängen bleiben.

Zwischen zwei Modellen, was dann passiert und zu einem Substurm führt, konnte bislang nicht unterschieden werden: Ist es ein regelrechter Kurzschluss elektrischer Ströme, rund 80 000 km über dem Äquator (current disruption), der zu einem Substurm führt, oder zerreisst das Magnetfeld (magnetic reconnection) in etwa 160 000 km Entfernung? Eine eindeutige Unterscheidung zwischen den beiden Möglichkeiten ist der NASA 200 Mio.$ wert: Am 18. Februar starteten fünf indentische kleine Satelliten auf derselben Delta 2 am Cape Canaveral, deren je 5 Instrumente (alle schon im Weltraum erprobt) zusammen mit 20 Beobachtungsstationen am Erdboden innerhalb der nächsten 2½ Jahre rund 30 Substürme im Detail beobachten sollen. THEMIS heisst das Projekt, was einerseits für Time History of Events and Macroscale Interactions during Substorms steht aber auch an die griechische Göttin der unparteiischen Gerechtigkeit erinnert. 73 Minuten nach dem Start waren alle 5 Satelliten ausgesetzt, die binnen einer Stunde mit der University of California in Berkeley Kontakt aufnahmen, wo sie entwickelt wurden und nun kontrolliert werden.

Noch ist dabei nicht klar, welcher Satellit wohin geschickt wird: Das entscheidet sich erst nach umfassenden Tests der fünf, die außergewöhnlich kompakt konstruiert wurden, um alle auf dieselbe Rakete zu passen. Man könne seine Hand nicht zwischen die Komponenten schieben, hiess es auf der letzten Pressekonferenz vor dem Start am 15. Februar, und die Leistungsfähigkeit der Minisatelliten sei ohne Beispiel. Gebraucht werden eigentlich nur vier der Satelliten (der fünfte kann aber für jeden der anderen einspringen), die bis September auf »resonante Bahnen« mit unterschiedlichem Erdabstand gebracht werden – und diese dann auch präzise einhalten, weshalb 40% der Masse jedes Satelliten Treibstoff ausmacht. Sie sollen die Erde in genau 1, 2 und 4 Tagen umkreisen, so dass sie alle vier Tage in einer Linie in Verlängerung der Verbindung Sonne – Erde stehen: zwei in 10, einer in 20 und einer in 30 Erdradien Entfernung. Und alle über der geografischen Länge Nordamerikas: Dort wachen 17 autonome Beobachtungsstationen in Kanada und 3 in Alaska mit Fischaugenoptik und CCD-Kamera über das Verhalten des Aurora-Ovals, das sich im derzeitigen Sonnenminimum meist in dieser Zone aufhalten sollte.

Polarlichtstrukturen

Die Schwarzweiss-Chips sind dabei so empfindlich, dass sie noch schwache Polarlichtstrukturen unter der Empfindlichkeitsschwelle des menschlichen Auges erfassen, und das alle 3 Sekunden. Jede der 20 Stationen (sowie weitere in Kanada und an 10 Schulen in ländlichen Gebieten der USA) ist auch mit einem empfindlichen Magnetometer ausgestattet, um das Verhalten des Erdfeldes zu überwachen. Zusammen mit den Daten der THEMIS-Satelliten sollte sich dann ein sehr genaues Bild der Vorgänge im Raum zwischen Mondbahn und Erdoberfläche ergeben, das es noch nie gab. Die erste Messkampagne wird dabei im Nordwinter 2007/2008 stattfinden, und 13½ Monate nach dem Start sollte THEMIS seine Primärmission erfüllt und den Substurm-Mechanismus eindeutig aufgeklärt haben; auch im Winter 2008/2009 soll aber noch gemessen werden. Erst dann sollte es der Statistik nach etwa 30-mal geklappt haben, dass die Satelliten genau richtig stehen, während sich ein Substurm ereignet (aber schon die ersten paar sollten die Frage nach dem Mechanismus eindeutig geklärt haben). Auch in den Zeiten dazwischen sowie im Nordsommer sind die Satelliten nicht untätig: Mit ihren 5 Instrumenten – einem für elektrische Felder, zwei Magnetometern (eines stammt von der TU Braunschweig, das andere aus Frankreich) und zwei Detektoren für Ionen und Elektronen – können sie ebenso die Prozesse ergründen, durch die die Teilchen des Sonnenwinds auf der Tagseite der Erde in die Magnetosphäre geraten.

Und die Satelliten werden beobachten, wie sich die Erdmagnetosphäre nach einem Substurm neu organisiert: Die meisten dabei freigesetzten Teilchen treffen nämlich gar nicht die Atmosphäre sondern landen in den Strahlungsgürteln, wo sie Satelliten gefährden können. Einen direkten praktischen Nutzen für die Weltraumwettervorhersage hat THEMIS nicht, das aber perfekt zu den Zielen des Internationalen Heliophysikalischen Jahres passt, das zufälligerweise einen Tag nach dem Starterfolg begann. Wie beim Internationalen Geophysikalischen Jahr (IGY) genau 50 Jahre früher geht es um koordinierte Grundlagenforschung, und die die entscheidenden Erkenntnisse kommen manchmal noch Jahre später zustande. So waren es endlose Aufnahmeserien von Polarlichtern, die während des IGY am Boden entstanden waren, aus denen ein fleissiger Japaner schliesslich auf die Existenz der Aurora-Ovale geschlossen hatte. Schliesslich sind diese ohne Erdsatelliten nie als komplette Strukturen zu erkennen. Auch das Substurm-Phänomen wurde – 1964 – in diesen Daten entdeckt. Die Zusammenhänge zwischen Sonne und Erde spielen heute eine immer grössere Rolle in der Wirtschaft und im täglichen Leben, und vielleicht wird man THEMIS eines Tages als den Durchbruch feiern. Noch jedenfalls, so wurde auf der Pressekonferenz eingestanden, hinkt die Prognose des Weltraumwetters der irdischen Wettervorhersage um 40 Jahre hinterher.

Daniel Fischer

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