Seit die Sonnenaktivität langsam wieder ansteigt, sind die am langen Minimum verzweifelten Theoretiker aufgewacht: Endlich gibt es Messgrößen, anhand derer – und mehr oder weniger eindrucksvoller empirischer Gesetze aus der Vergangenheit – eine Prognose über die weitere Entwicklung gewagt werden kann.
Zum Beispiel mit Hilfe des »erweiterten« Fleckenzyklus, der sich nicht durch Flecken, sondern die Intensität der Sonnenkorona-Emission über der Oberfläche bemerkbar macht: Sie wird bereits seit 1973 regelmäßig gemessen, und in einem Diagramm, das solare Breite gegen Zeit aufträgt, sind klare Trends erkennbar. Schon ein Jahrzehnt vor Ausbildung der Flecken setzt eine Bewegung der hellsten Zone äquatorwärts ein – so hat der neue Zyklus Nr. 24 bereits im Jahr 1999 auf 70° Breite begonnen, wobei er um rund ein Drittel langsamer verläuft als bei den vorangegangenen Zyklen. Es gibt aber auch eine schnellere gegenläufige Bewegung, die »rush to the poles« genannt wird und zuletzt 2005 auf der Nordhalbkugel einsetzte – und mit 4,6°/Jahr sogar nur halb so schnell verläuft als bei den drei Zyklen davor. Nun trat in der Vergangenheit das Sonnenmaximum immer dann ein, wenn diese Bewegung eine Breite von 76°±2° erreichte: Das wäre beim gegenwärtigen Trend Mitte 2013. Sollte allerdings ein anderes »Gesetz« gelten, wonach das Maximum 1,5 Jahre vor Erreichen des Nordpols liegt, was Mitte 2016 geschehen sollte, dann wäre es sogar erst Ende 2014 so weit. Über die Höhe des Maximums sagt diese Methode übrigens nichts aus.
Dazu könnte hingegen der Verlauf des Anstiegs der Sonnenaktivität nach dem Minimum etwas sagen, dessen Zeitpunkt erst einmal festgelegt sein will. Mit gleich vier Methoden haben dies bulgarische Astronomen versucht, die die Zeitreihen der solaren Radiostrahlung, der Fleckenzahl, der Strahlungsintensität der Sonne insgesamt und der täglichen Zahl der Röntgenflares von Anfang 2006 bis Anfang 2010 durch Polynome miteinander verglichen. Bis auf die Intensität, die schon im Sommer 2008 ihr Minimum erreichte, lagen die Minima alle im Oktober oder November 2008, mit dem 6. November 2008 als bestem Wert. Da der 23. Zyklus im Mai 1996 begonnen hatte, war er 12,6 Jahre lang – und das erste Jahr des 24. war, was sowohl die mittlere Fleckenzahl wie auch die Radiostrahlung betrifft, deutlich »schwächer« als die ersten Jahre der Zyklen 19 bis 23. Das allein kann man schon als Indiz sehen, dass es insgesamt ein schwacher Zyklus wird, aber es gibt auch konkret den »Waldmeier-Effekt«, nach der die Höhe des Maximums proportional zur Geschwindigkeit des Anstiegs, d.h. der zeitlichen Ableitung der Fleckenzahl, ist. Dieser Zusammenhang ist nicht besonders scharf, aber er würde bedeuten, dass nur eine maximale Fleckenzahl von 70±30 erreicht werden wird – dramatisch weniger als die 120 des 23. Zyklus und eine der schwächsten der letzten Jahrhunderte überhaupt. Wie glaubwürdig diese Prognose ist (zu der das besonders späte Maximum der anderen Analyse passen würde), lässt sich schwer abschätzen, aber nach einer weiteren Studie aus Indien ist dieser Waldmeier-Effekt sogar ein klareres Gesetz als bisher gedacht.
Daniel Fischer
arxiv.org/abs/1002.2401v2 |
arxiv.org/abs/1008.0375 |
arxiv.org/abs/1008.2931 |
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