So folgenschwer war noch kein kosmischer Impakt in der Geschichte der Menschheit, über den es gesicherte Informationen gibt: Über tausend Verletzte und Gebäudeschäden in Millionenhöhe in einer russischen Großstadt sind die Bilanz des Atmosphäreneintritts eines kleinen Asteroiden am Morgen des 15. Februar. Von ihm selbst erreichte kaum etwas den Erdboden, erst ein paar Dutzend kleine Meteoriten sind gefunden und identifiziert worden, die den Körper als einen gewöhnlichen Chondriten ausweisen. Wie sein berühmter – und noch um eine Größenordnung energiereicherer – Vorgänger, der das ebenfalls russische Tunguska-Ereignis von 1908 zu verantworten hatte, explodierte auch der aktuelle Asteroid in großer Höhe, und es war ausschließlich die Minuten später den Boden erreichende Druckwelle, die für die Schäden sorgte. Ebendiesem atmosphärischen Infraschallimpuls verdanken wir aber auch die meisten Erkenntnisse über Natur und Herkunft des Impaktors, denn er wurde rund um den Globus von 17 Mikrobarometern des CTBTO-Netzwerks registriert, das eigentlich geheime Nukleartests ausschließen soll. Kanadische Spezialisten konnten aus dem Signal des eintretenden und entlang eines Zylinders explodierenden Kleinkörpers viel über ihn erfahren.
Der Himmelskörper war demnach aus dem Kleinplanetenhauptgürtel gekommen, hatte etwa 17m Durchmesser und 10000t Masse und erreichte die Erdatmosphäre über Südwestrussland von Osten kommend in einem sehr flachen Winkel mit 18km/s Geschwindigkeit. Sein Ende fand er dann in einer gewaltigen Explosion in 15km bis 20km Höhe praktisch direkt über der Stadt Tscheljabinsk: Dieser »Airburst« hatte eine Energie, die etwa 500000t TNT-Sprengstoff entsprach, und war der schwerste kosmische Treffer seit mindestens den 1930er-Jahren, vermutlich aber seit Tunguska. Aus der hochgerechneten Zahl von Kleinstplaneten in Erdnähe folgt in der Tat, dass es rund einmal pro Jahrhundert irgendwo zu einem Impakt wie jetzt kommen müsste. Die Druckwelle der stratosphärischen Explosion ließ vor allem Fensterscheiben zerspringen, was die Hauptursache für die vielen Verletzten war, aber manche Gebäude traf es noch schwerer. Eine Vorwarnung hätte selbst ein weltweites Teleskopnetz kaum bieten können: Erst zwei Stunden vor der Explosion dürfte der Asteroid heller als 24m geworden sein – und zudem er kam fast direkt aus Richtung der Sonne. Aber eine Lektion darf die ganze Welt mitnehmen: Wenn es eine extrem helle Feuerkugel am Himmel mit einer grellen terminalen Explosion gegeben hat, dann sollte man danach nicht hinter einer Fensterscheibe stehen und an den Himmel starren, sondern sich für einige Minuten weit ins Gebäude zurückziehen, bis eine etwaige Druckwelle eingetroffen ist.
Daniel Fischer
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