Experimentelle Astronomiegeschichte: der Mondbahn auf der Spur

Kevin Krisciunas – in einem Kostüm aus dem 13. Jahrhundert – bei der Messung des Monddurchmessers mit einer speziellen Variante des Jakobsstabs: Schon in vorteleskopischer Zeit hätte die Variation des Mondabstands von der Erde mit erstaunlicher Präzision bestimmt und ein erheblicher Widerspruch zum Ptolemäischen Weltsystem erkannt werden können. [Kevin Krisciunas]

Eigentlich ist der amerikanische Astronom Kevin Krisciunas an der Texas A & M University Spezialist für Supernova-Durchmusterungen und ihre Anwendung für die Kosmologie – doch seit einigen Jahren treibt ihn noch eine andere Frage um: Was hätten seine Kollegen in der Zeit vor der Erfindung des Fernrohres vor 402 Jahren durch sorgfältige Messungen schon alles für den Kosmos erfahren können, das ihnen aber entgangen ist? Ein beliebter Forschungsgegenstand seit der Antike war natürlich der auffällige Mond. Schon Aristarch von Samos und Hipparch machten sich Gedanken über seine Entfernung, und dass der scheinbare Monddurchmesser am Himmel etwas schwankt, war ihnen wohl bekannt. Auch Ptolemäus hat darüber geschrieben – aber nicht realisiert (oder verdrängt), dass der Mond nach seinem Bild vom Planetensystem zwischen Opposition und Quadratur um einen vollen Faktor zwei am irdischen Himmel größer oder kleiner werden müsste, was offensichtlich nicht der Fall ist. In der Folgezeit interessierten sich die messenden Astronomen dann mehr für die Stern- und Planetenörter am Himmel und nicht für ihre physischen Eigenschaften.

Erst im Mittelalter hat sich der jüdische Mathematiker Levi ben Gerson alias Gersonides mit dem vermutlich von ihm erfundenen Jakobsstab um konkrete Messungen des Monddurchmessers bemüht und klar erkannt, dass Ptolemäus‘ Vorhersage falsch war. Doch komplette Messreihen des Monddurchmessers sind weder von ihm noch anderen großen Astronomen bis zum 16. Jahrhundert überliefert. Was hätten sie – und im Prinzip auch schon ihre antiken Vorgänger – eigentlich messen können, fragte sich Krisciunas und konstruierte eine simple Variante des Jakobsstabs mit einer kleinen runden Öffnung, die für die Messung des Monddurchmessers optimiert ist. Die systematische Schwankung des Monddurchmessers in nahezu Sinusform zwischen 29,4′ und 33,5′ ist in seinen Daten sauber zu erkennen. Warum derartige Messungen offenbar niemals in der gesamten Astronomiegeschichte gemacht wurden, lässt sich natürlich nicht sagen – aber schon viele Jahrhunderte vor Galilei und Kepler (dessen komplexe Erkenntnisse über die elliptischen Planetenbahnen übrigens auch ohne jedes Fernrohr ausgekommen waren) hätten sie die Astronomie auf den rechten Weg weisen können.

Daniel Fischer

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