Eine tiefe Karte des Himmels … via Internet!

Das Internet quillt längst über vor bemerkenswerten Deep-Sky-Aufnahmen: manche einfach nur gut, andere vielleicht überprozessiert, vor allem aber oft von einer Empfindlichkeit und damit Tiefe, von der selbst professionelle Himmelsdurchmusterungen einst nur träumen konnten. Diese Ressource zu heben, haben sich einige kühne Astro-Programmierer zum Ziel gesetzt: Wie David Hogg von der New York University bereits letztes Jahr auf einer »Astro-Hacker«-Konferenz vortrug, soll am Ende eine tiefe Himmelskarte stehen, zu der unzählige Astrofotografen ungefragt beigetragen haben. Der Schlüssel ist das Online-Tool Astrometry.net, das auf jeder halbwegs gelungenen Himmelsaufnahme das Muster der Sterne identifizieren kann und das Bild damit astrometrisch »löst«, d.h. seinen Pixeln konkrete Himmelskoordinaten zuschreibt. Dass dies nicht nur bei speziell für diesen Zweck aufgenommenen Bildern funktioniert, bewiesen schon vor drei Jahren David Lang und Hogg, als sie mal eben alle Aufnahmen des Kometen Holmes während seines 2007er-Riesenausbruchs aus dem WWW fischten, mit Astrometry.net lösten (nicht-astronomische Bilder fliegen dabei automatisch heraus) – und allein aufgrund dieser Zufallsfunde die Kometenbahn bestimmten.

Nun haben beide – unterstützt von Bernhard Schölkopf vom Tübinger MPI für Intelligente Systeme – eine weitere höchst bemerkenswerte Arbeit vorgelegt: Diesmal durchforsteten Suchmaschinen das Internet nach Aufnahmen bestimmter Galaxien, die wiederum automatisch astrometrisch gelöst wurden. Diese wurden dann mit einem neuen Verfahren in einer Weise aufaddiert, dass ein gegen die Verstärkung von Fehlern robustes »Konsensbild« entstand, ohne Kenntnis der konkreten Aufnahmeparameter oder Weiterverarbeitung. Diese Summenbilder zeichnen sich durch einen besonders hohen Dynamikbereich und viele Details auf den geringsten Helligkeitsniveaus aus – und reichen ebenso so tief wie speziell zu diesem Zweck angefertigte Himmelsaufnahmen. Schwache Strukturen im Außenbereich von Galaxien, wo durch Gravitationseffekte Material herausgerissen wurde, werden so sichtbar, etwa im Falle der bekannten Galaxie Messier 51. Wobei dieses Detail in den Einzelbildern nicht zu sehen war: Besonders tiefe WWW-Funde wurden nämlich vor der Summenbildung gezielt eliminiert. Der Weg zu einer regelrechten »Internet-Astrophysik« scheint nun frei.

Daniel Fischer

Originalarbeit:
arxiv.org/abs/1406.1528
Hoggs Vortrag:
dotastronomy.com/events/five/crowdsourcing-an-all-sky-survey-david-hogg
Daniel Fischer

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