Testsatellit beweist: Gravitationswellenjagd im Weltraum möglich

Die LISA Technology Package, das wissenschaftliche Herz des Satelliten LISA Pathfinder: Es vermisst und kontrolliert den nahezu perfekten freien Fall von zwei Testmassen in ihren Vakuumkammern - und hat bereits bewiesen, dass das ähnliche Messprinzip der LISA-Mission in den 2030-er Jahren funktionieren kann. [ESA/ATG medialab]

Ist jemals eine Satellitenmission so überschwänglich gefeiert worden, bei der nur eine Messtechnik getestet wurde, wie heute der LISA Pathfinder der ESA? Die parallelen Pressekonferenzen an mehreren Institutionen einnerten an die Bekanntgabe des ersten direkten Nachweises einer Gravitationswelle mit Detektoren auf der Erde im Februar, und die Parallele kommt nicht von Ungefähr: Die technisch ungemein anspruchsvolle Laser Interferometer Space Antenna (LISA) aus drei Satelliten soll dieses Fenster in den Kosmos in den 2030-er Jahren noch weiter aufstoßen. Und der Pathfinder hat eine wesentliche Technologie dafür getestet und – wie gleichzeitig auch in einer detaillierten wissenschaftlichen Arbeit über die ersten 55 Messtage demonstriert – für geeignet befunden. Befinden sich bei Gravitationswellen-Detektoren auf der Erde die Testmassen wenige Kilometer auseinander, deren minimale Abstandsveränderung beim Durchlaufen einer Welle mit Lasern zu messen ist, so werden es bei LISA mehrere Millionen Kilometer sein: Das erlaubt den Nachweis von Wellen viel niedrigerer Frequenz, wie sie bei Fusionen der massereichsten Schwarzen Löcher des Kosmos erwartet werden. Wenn es gelingt, die Probekörper in den drei Satelliten hinreichend von allen äußeren Störungen fernzuhalten – was auf der Erde bei Frequenzen unter 1 Hertz gar nicht möglich wäre – und ihre Abstände superpräzise zu messen, natürlich ebenfalls mit Lasern. Der am 3. Dezember 2015 zum Lagrangepunkt 1 des Sonne-Erde-Systems gestartete LISA Pathfinder testet dieses Messprinzip, indem zwei kleine Massen im selben Satelliten in nur 38 cm Abstand voneinander platziert wurden (Schema oben): Das unterscheidet sich zwar in vielen Details von der Arbeitsweise der geplanten LISA-Satelliten, aber die grundlegenden Herausforderungen sind dieselben.

So gut arbeitet die Technology Package des LISA Pathfinder: Doppelt logarithmisch gegen die Frequenz in Hertz ist ein Maß für den Restfehler der Messung aufgetragen. Er liegt weit unter den Anforderungen an den Pathfinder und ist bei höheren Frequenzen (rechts) sogar deutlich geringer als die Anforderungen für die "echte" LISA. [NASA GSFC]
So gut arbeitet die Technology Package des LISA Pathfinder: Doppelt logarithmisch gegen die Frequenz in Hertz ist ein Maß für den Restfehler der Abstandsmessung zwischen den beiden Würfeln aufgetragen. Er liegt weit unter den Anforderungen an den Pathfinder und ist bei höheren Frequenzen (rechts) sogar deutlich geringer als die Anforderungen für die "echte" LISA. [NASA GSFC]

Den Kern des LISA Pathfinder bilden zwei Würfel aus einer Gold-Platin-Legierung von je 1,9 kg Masse und 46 mm Kantenlänge, die zusammen mit dem Satelliten im besten freien Fall, der jemals realisiert wurde, um die Sonne ziehen. Beide befinden sich in Vakuumkammern, wobei die Position des einen direkt mit dem Antriebssystem gekoppelt ist: Kaltgasdüsen sorgen dafür, dass der Satellit der Bahn dieser Probemasse präzise folgt, so dass sie der Wand ihrer Kammer nicht zu nahe kommt. Der andere Würfel in 37,6 cm Entfernung wird von einem elektrostatischen Feld auf konstantem Abstand zum ersten gehalten, da der Satellit natürlich nur einen exakt verfolgen kann. Den Abstand zwischen beiden Massen stellt ein trickreiches Laserinterferometer besonders exakt fest, und die wesentliche Messung des – auch jetzt noch andauernden – Experiments ist das „Beschleunigungsrauschen“, das trotz aller Abschirmungen zwischen den beiden Massen auftritt. Anhängig von der Frequenz stammt es von einer ganzen Reihe unterschiedlicher Störquellen: In der kleinen Grafik sind alle bekannten Effekte bereits herauskorrigiert, und erfreulich wenig bleibt zurück. Die Begeisterung für dieses Diagramm war auf den Pressekonferenzen spürbar: Der Abstand zwischen den beiden Testmassen kann auf weniger als einen Atomdurchmesser – Femtometer-genau – bestimmt werden, die Anforderungen an den Pathfinder werden erheblich übertroffen, bei Frequenzen ab 10 Millihertz ist die Technik sogar besser als was für die echte LISA-Mission erforderlich wäre, und bei niedrigeren Frequenzen ist das Ziel zumindest nicht weit. Trotzdem erscheint es schwer möglich, den für 2034 angepeilten Start der von der ESA als zukünftiges Großprojekt vorausgewählten LISA nennenswert zu beschleunigen, denn eine ganze Reihe weitere kritische Technologien müssen erst noch entwickelt werden. Bis zum Ende des kommenden Jahrzehnts wird das wohl dauern – wobei es möglicherweise sogar zu einem Wettlauf mit einem ähnlichen chinesischen Projekt kommen wird.

Daniel Fischer

LINKS:
Originalarbeit: http://journals.aps.org/prl/abstract/10.1103/PhysRevLett.116.231101
ESA Release: http://sci.esa.int/lisa-pathfinder/57906-lisa-pathfinder-exceeds-expectations
PM des Albert Einstein Instituts: http://www.aei.mpg.de/1893113/lpf1stresults
NASA Release: http://www.nasa.gov/feature/goddard/2016/lisa-pathfinder-mission-paves-way-for-space-based-detection-of-gravitational-waves
Einordnung: http://physics.aps.org/articles/v9/63

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