Messier 90: eine Galaxie wird bestohlen

Die Galaxien NGC 4569 (Messier 90) und IC 3583 mit dem Canada-France-Hawaii Telescope durch drei Filter aufgenommen: Dem roten Kanal ist engbandige H-Alpha- und [Stickstoff-II]-Emission zugeordnet, die das viele M 90 entrissene Gas hervorhebt. [CFHT/Coelum]

Galaxienhaufen mögen auf typischen Fotos wie konzentrierte Ansammlungen von Sternsystemen erscheinen, die scheinbar isoliert nebeneinander stehen und sich allenfalls durch ihre Schwerkraft gegenseitig beeinflussen. Aber der Schein trügt: Galaxienhaufen sind auch von heißem Gas erfüllt, dicht genug, um Galaxien stark zu stören, wenn sie sich hindurch bewegen. Das Stichwort ist „Ram Pressure Stripping“, bei dem das intergalaktisch Gas der Galaxie ihren eigenen Gasvorrat geradezu abstreift. Eine besonders lang belichtete Aufnahme mit dem 3,58-Meter-Teleskop CFHT auf Hawaii hat nun gezeigt, dass es mit Messier 90 alias NGC 4569 – einer der hellsten Galaxien des Virgo-Haufens – sogar ein recht prominentes Opfer dieses fundamentalen Prozesses der Galaxienentwicklung gibt: Zu sehen sind lange ‚Schweife‘ aus ionisiertem Gas, die mindestens 260000 Lichtjahre lang sind. Sterne gibt es in diesen Gasschwaden keine.

Die Masse des Gases, überwiegend Wasserstoff, in den bisher übersehenen Schweifen, ist genau was in der Scheibe von Messier 90 verglichen mit isolierten Galaxien dieses Typs fehlt. Und dass hier tatsächlich vor einigen 100 Millionen Jahren der Staudruck des intergalaktischen Gases am Werk gewesen ist, mit immerhin 1200 km/s saust die Galaxie durch den Haufen, daran besteht kein Zweifel: Das verlorene Gas ist rund 90-mal mehr als was Messier 90 aus eigener Kraft hätte herausblasen können. Die Bedeutung Entdeckung der schwach leuchtenden Gas-Finger geht weit über das Detailverständnis dieser einen Galaxie hinaus. Zum einen ist nun klar, dass starkes Ram Pressure Stripping in mehr kosmischen Situationen auftreten kann als man bisher gedacht hatte. Und die Jagd ist hiermit eröffnet auf weitere vergleichbare Gasschweife bei vielen anderen Galaxien, die womöglich eher die Regel denn Ausnahmen sind: Lange Belichtungen durch engbandige Filter sind jetzt gefragt.

Daniel Fischer

LINKS:

Originalarbeit: http://www.aanda.org/articles/aa/pdf/2016/03/aa27795-15.pdf

Press Release dazu: http://www.icrar.org/news/news_items/media-releases/galaxy_tail_discovered

Ein ähnlicher Fall: http://hubblesite.org/newscenter/archive/releases/2014/14/

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